Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
Vom Netzwerk:
sofort verging, als Antonia entgegnete: »Mein Kinn mag zwar bartlos sein, aber meine Klinge ist schnell und scharf. Ich hoffe, Euch das bald beweisen zu können, stellt mich nur auf die Probe!«
Master Rowse warf Sir Norman einen schrägen Blick zu. »Das Jüngelchen trägt seine Haare statt im Gesicht offenbar auf den Zähnen. Nun, er wird schon zahm werden. Unter meiner Knute hat noch jeder pariert.« Er wandte sich wieder Antonia zu und deutete mit der Hand auf eine Tür am rechten Ende des Hofes. »Dort wirst du schlafen, musst dir allerdings ein freies Bett suchen. Bei Sonnenaufgang erwarte ich alle im Hof zu den ersten Übungen. Verstanden?«
Antonia nickte beklommen und blickte zu Norman, der sich umdrehte und den Hof verlassen wollte. Mit zwei Schritten war sie an seiner Seite und zupfte ihn am Ärmel. »Ihr wollt schon gehen?«
Verwundert blickte Norman in die dunklen Augen, die ängstlich zu ihm aufsahen. Er war doch nicht Anthonys Kindermädchen! »Du unterstehst jetzt Master Rowse, ich werde nach dir schicken lassen, wenn ich dich benötige. Und Anthony – mach mir keine Schande, hörst du?«
Antonia nickte beklommen. Sie konnte es sich nicht vorstellen, nicht mehr Tag und Nacht an der Seite von Sir Norman zu sein. »Wann werde ich meinen Vater sehen?«, fragte sie.
»Heute Abend, beim Bankett«, rief ihr Norman über die Schulter zu, während er mit großen Schritten dem Tor zustrebte und wenig später dahinter verschwand.
Da Master Rowse sich ebenfalls nicht mehr um sie kümmerte, betrat Antonia den ihr zugewiesenen Raum. Der Boden war aus gestampftem Lehm, durch die winzigen Fenster fiel nur wenig Licht. An den Seiten standen rund zwei Dutzend einfache Bettgestelle mit Strohsäcken und leichten Decken. An der hinteren Wand entdeckte sie eine freie Bettstatt, doch gerade als sie ihr Bündel darauf legte, erhielt sie einen so derben Stoß, dass sie an die Wand taumelte.
»Weg da! Das ist mein Platz!« Sie drehte sich um und sah sich einem jungen, kräftigen Kerl gegenüber, der sie aus eng stehenden Augen musterte. Zusammen mit seiner niedrigen, etwas fliehenden Stirn machte er auf Antonia nicht den Eindruck von besonderer Intelligenz. »Bist wohl neu hier, hä?«
Antonia nickte und verzichtete darauf, ihm zur Begrüßung die Hand zu geben.
»Master Rowse hat mich in diesen Raum verwiesen, er meinte, ich solle hier schlafen.« Sie sah sich suchend im Raum um. »Aber wie ich sehe, sind alle Betten bereits belegt.«
Der Junge grinste und deutete auf einen Haufen Stroh in der linken hinteren Ecke. »Da ist noch Platz. Auf ein Bett wirst du wohl warten müssen, bis jemand, der ältere Rechte hat, geht. Ich bin übrigens John, der Knappe von Sir Francis Mallory.«
Antonia zuckte mit den Schultern und legte ihr Bündel auf die Erde. Kritisch betrachtete sie ihr Strohlager. Sie war wirklich nicht verwöhnt, hatte bisher aber nicht auf dem Fußboden nächtigen müssen.
Gerade als sie sich fragte, wie lange sie wohl in dieser Umgebung ihre Identität würde wahren können, trat Master Rowse ein und brüllte: »Na los, ihr faulen Kreaturen! Werdet ihr euch wohl waschen? Danach kommt ihr in die Große Halle, der König ist bereits unterwegs. Er wird am Bankett teilnehmen.«
Antonia blieb nichts anderes übrig, als dem Jungen in einen kleinen Hof zu folgen, in dessen Mitte ein großer Waschtrog stand. Sie benetzte sich Hände und das Gesicht, mehr konnte sie nicht wagen, und war froh, vor zwei Tagen im Fluss gebadet zu haben. Bei der Erinnerung an diese Nacht und an das, was sie am Ufer beobachtet hatte, durchfuhr es sie heiß. Die Aussicht, Sir Norman beim Bankett wiederzutreffen, beflügelte sie, und rasch klopfte sie den letzten Rest Staub aus ihrer Kleidung.
Als Antonia wenig später die Große Halle betrat, blieb ihr Mund vor Staunen offen. Sie war zwar noch nie in einer Kathedrale gewesen, aber die Gotteshäuser konnten wohl kaum höher und beeindruckender sein! Die Halle verfügte über riesige Ausmaße, die Wände waren mit kostbaren flämischen Teppichen bedeckt. Am beeindruckendsten aber war die ungewöhnliche Decke. Über drei Stockwerke ragte die Halle in die Höhe, und man gewann den Eindruck, als hätten Tausende von Spinnen ein filigranes Gespinst aus Holz an der Decke gesponnen. An einer Schmalseite brannte trotz der Sommerhitze im Kamin ein mächtiges Feuer. Davor befand sich ein erhöhtes Podium, auf der die Tische mit Tüchern in den grünweißen Farben der Tudors bedeckt waren. Die Stühle

Weitere Kostenlose Bücher