Königin für neun Tage
schien jetzt bereits das Doppelte zu wiegen.
Sir Norman, der nur einen Augenblick benommen gewesen war, erkannte, dass sich der Junge in arger Bedrängnis befand, während seine eigenen Leute verletzt oder mit den anderen Räubern beschäftigt waren. Also sprang er hoch, ergriff sein Schwert und stürzte sich zwischen Antonia und den bulligen Kerl. Dabei kam er ihm so nahe, dass er den fauligen Atem aus seinem Mund wahrnehmen konnte. Sir Norman überragte den Angreifer um Haupteslänge. Im Bruchteil eines Augenblickes stieß er ihm das Schwert bis zum Schaft in die Brust. Der Räuber riss ungläubig die Augen auf, sah auf das Metall, das aus seiner Brust ragte, dann sackte er wie ein gefällter Baum in sich zusammen. Blut sprudelte aus seinem Mund. Sein Körper zuckte noch einmal auf, dann brachen seine Augen, in denen immer noch ungläubiges Staunen lag.
Mit dem Tod des Mannes, der offenbar der Anführer der Bande gewesen war, erstarb sofort jedes Kampfgetümmel. Drei der Angreifer lagen verwundet auf dem Boden, die übrigen versuchten zu fliehen. Aber Sir Normans Männer waren schneller, und es gelang ihnen, sie zu überwältigen und sie mit ihren Waffen in Schach zu halten.
Sir Norman wischte sich mit einem blutverschmierten Ärmel über die Stirn, dann erst wandte er seine Aufmerksamkeit dem Jungen zu. Antonia starrte fassungslos auf den Toten, in dessen Brust immer noch das Schwert steckte. Sie schluckte mehrmals, konnte sich dann aber nicht mehr beherrschen und erbrach sich am Wegesrand. Sofort war Norman an ihrer Seite und umgriff stützend ihren Oberkörper. Antonia dachte in diesem Augenblick nicht daran, wie nahe seine Hände ihrem Busen waren. Sie war nicht in der Lage, an überhaupt etwas zu denken.
»Du hast zuvor noch keinen Toten gesehen, nicht wahr?«, fragte Sir Norman, als Antonias Magen nichts mehr hergab. Er reichte ihr eine Wasserflasche, und Antonia trank gierig. Langsam kehrte die Farbe in ihre Wangen zurück, und ihr Atem beruhigte sich. Stumm schüttelte sie den Kopf. »Es ist eine Sache, mit dem Schwert zu üben, und eine andere, es einem Menschen gegenüber einzusetzen«, fuhr Sir Norman fort. »Ich denke, ich habe dich unterschätzt, Junge, denn du hast sehr viel Mut bewiesen. Du hast mein Leben gerettet!«
Deutlich hörte Antonia den Stolz in seiner Stimme, und ein warmes Gefühl durchflutete sie. »Ich wäre nie allein mit den Strauchdieben fertig geworden. Eigentlich habt Ihr mir das Leben gerettet.«
Sir Norman lachte laut auf. »Nun wollen wir uns mal nicht darüber streiten, wer hier wen vor dem Tod bewahrt hat. Wir haben den Angriff einigermaßen unbeschadet überstanden und die Räuber sogar in unsere Gewalt gebracht.«
Antonia zeigte auf Normans Brust. »Ihr seid verwundet, Sir.«
»Ach, das ist nur ein Kratzer, kaum der Rede wert.« Er drehte sich zu Roger um, der leicht schwankend, eine Hand auf seine Schulter gepresst, auf ihn zukam. »Bist du schwer verletzt?«
Rogers Mund verzog sich zu einem aufmunternden Grinsen. Er nahm die Hand von der Wunde und schob sein Hemd zur Seite.
Antonia sah einen handlangen und fingerbreiten Schnitt, der aber bereits aufgehört hatte zu bluten. Sie trat vor und betrachtete die Verletzung. »Wir müssen die Wunde auswaschen, damit es zu keiner Entzündung kommt. Kann einer der Männer Wasser holen?«
Sir Norman nickte und gab den entsprechenden Befehl. Die gefangenen Räuber waren zwischenzeitlich an die Bäume gefesselt worden. Kurz entschlossen riss Norman einen Streifen Stoff aus seinem zerfetzten Hemd, mit dem Antonia Rogers Wunde verband. Norman beobachtete staunend, wie vorsichtig und geschickt sie mit dem Verletzten umging.
»Du bist nicht nur ein guter Kämpfer, sondern scheinst auch noch über Kenntnisse in der Krankenpflege zu verfügen.«
Dieses zweite offensichtliche Lob aus seinem Mund ließ Antonias Wangen in einem tiefen Rot aufleuchten. Schnell beugte sie sich tiefer über Rogers Schulter, damit Sir Norman ihre Verlegenheit nicht bemerkte.
Norman Powderham gab nun einem Mann den Befehl, so schnell wie möglich nach Hampton Court zu reiten, um die Wachen von dem Überfall in Kenntnis zu setzen. Dann deutete er auf drei seiner stärksten Männer. »Ihr bleibt hier und bewacht die Gefangenen, bis die Männer des Königs kommen. Und den hier …«, er stieß dem Toten die Schuhspitze in die Seite, »könnt ihr vergraben. Auch wenn es ein Gesetzloser war, möchte ich nicht, dass er zum Fraß für die Wölfe wird.«
Nachdem er noch mal
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