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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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etwas tun, um Eure Schmerzen zu lindern?«
Antonia hätte der Person am liebsten an Ort und Stelle die Augen ausgekratzt.
Sir Norman entgegnete lächelnd: »Keine Sorge, meine Liebe, es ist nichts von Bedeutung. Aber Eure Heilkünste nehme ich gerne in Anspruch. Später!«, fügte er bedeutungsvoll hinzu.
Plötzliche Wut auf den Ritter ließ Antonia betont scharf fragen: »Ihr verspracht, ich würde hier meinen Vater treffen. Nun, wo ist er?«
Norman runzelte die Stirn. Wenn dieses Jüngelchen am Nachmittag auch ein gewisses Geschick im Umgang mit dem Schwert gezeigt hatte, gab ihm das gewiss nicht das Recht, in einem solchen Ton mit ihm zu sprechen.
»Anthony, du vergisst, dass du mein Knappe bist. Ich habe dir gar nichts
versprochen
. Lord Thomas sitzt dort hinten.«
Er deutete vage zur westlichen Wand, wo sich kostbar gekleidete Herrschaften die vielfältigen Speisen schmecken ließen. Da sich Antonia beim besten Willen nicht mehr an das Aussehen ihres Vaters erinnern konnte, machte sie ein ratloses Gesicht.
Sogleich taten Sir Norman seine harten Worte Leid. Verflixt, dieser Bursche schaffte es immer wieder, in ihm eine Art Beschützerinstinkt auszulösen. Entschuldigend wandte er sich an seine Begleiterin: »Lady Lanyon, verzeiht, aber ich muss dieses Kind seinem Vater zuführen. Ansonsten verläuft sich der Kleine noch.«
Die Lady kicherte, während es in Antonias Kopf brauste. Kind! Wie konnte er es wagen, sie als Kind zu bezeichnen! Vor Zorn bebend folgte sie Norman zu einem älteren, dicken Mann.
Er verneigte sich leicht vor ihm. »Mylord Fenton, ich bringe Euch Euren Sohn Anthony.«
Auch Antonia verbeugte sich, dann sah sie auf und blickte direkt in zwei kalte, graue Augen. Lord Thomas streckte seine fleischige, mit einem großen goldenen Siegelring geschmückte Hand aus, und Antonia verstand, dass er einen Kuss auf dieselbe erwartete. Sie tat es und richtete sich dann auf. »Mylord … Vater …«
»Mylord genügt«, unterbrach er sie scharf. »Sir Norman hat mir bereits berichtet, wie tapfer du dich heute geschlagen hast. Nun, ich muss sagen, ich bin dennoch enttäuscht von dir.« Antonia wagte keine Entgegnung, sie sah ihren Vater nur stumm an. In seinem feisten Gesicht war keine Gefühlsregung zu erkennen. »Da habe ich mich über Jahrzehnte mit einer dummen und frigiden Frau abgegeben, und das Einzige, was sie zustande bringt, ist ein Junge, der ihrer Statur gleichkommt.« Er kniff die Augen zusammen und musterte Antonia streng. »Wenigstens ist dir heute nichts geschehen. Es wäre doch zu ärgerlich gewesen, seinen einzigen Sohn zu verlieren, kurz bevor endlich ein Mann aus ihm wird.«
»Mylord, verzeiht, auch wenn ich vielleicht nicht Eure Größe und Statur aufweisen kann, verstehe ich mich dennoch gut auf den Umgang mit Waffen«, warf Antonia trotzig ein. »Lifton war ein guter Lehrmeister.«
Lord Fentons Gesicht lief rot an. »Wie kannst du es wagen, das Wort an mich zu richten, ohne dass ich dich um deine Meinung gefragt habe? Ich sehe schon, die Weiberwirtschaft hat deinen Charakter verdorben. Sir Norman, ich beneide Euch nicht um die Aufgabe, aus diesem schmächtigen Etwas einen Mann zu machen.«
»Im Gesicht sieht er beinahe wie ein Mädchen aus«, kicherte eine mollige Frau mit verlebten Gesichtszügen neben Lord Thomas. Antonia erschrak über die Worte. Erst jetzt erkannte sie, dass die andere Hand ihres Vaters auf der ausladenden Hüfte der Frau lag. War sie hier eigentlich nur von Lasterhaftigkeit umgeben? Norman Powderham vergnügte sich mit allem, was einen Rock anhatte, aber er war schließlich Junggeselle. Ihr Vater hingegen hatte eine Ehefrau!
»Ein Mädchen! Behüt mich Gott vor einem Mädchen«, polterte Lord Thomas los. »Wenn mein Weib damals ein Mädchen zur Welt gebracht hätte, so wäre es mir lieber gewesen, es wäre gleich darauf gestorben. Dann hätte ich mich wenigstens dieser hageren Person entledigen und eine richtige Frau heiraten können. Ihr wisst, was ich meine?«
Er machte eine obszöne Bewegung mit seinem Unterkörper, was ihm laute Lacher aus dem Umkreis einbrachte. Einzig Sir Norman zog etwas indigniert eine Augenbraue in die Höhe. Antonia verstand nun, warum ihre Mutter ihr Leben auf einer Lüge aufgebaut hatte. Sie und Ellen hatten Recht – diesem Mann würde sie als Mädchen nicht nur gleichgültig, sondern sogar zuwider sein. Mit einem Schlag erkannte Antonia auch, dass ihr Plan, das Herz des Vaters für sich zu gewinnen, um ihm ihre wahre Identität zu

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