Königin für neun Tage
gewesen und würde ihre Schulter nicht so sehr schmerzen, hätte sie laut aufgelacht. Hatte sie tatsächlich geglaubt, ihr Vater würde sie liebevoll in die Arme schließen, wenn sie ihm offenbarte, dass sie eine Tochter war? Antonia verstand die Handlungsweise ihrer Mutter nun besser. Lord Thomas hätte sie damals kaltblütig ermordet, wenn er erfahren hätte, dass sein Sohn gestorben war.
Sie schenkte Norman einen dankbaren Blick, als er jetzt vortrat und eine Decke über ihre Blöße breitete, doch der Ausdruck in seinen Augen ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren, denn in ihnen stand der blanke Hass.
»Mylord … ich möchte Euch erklären …«, stammelte sie und sah ihren Vater an. »Es ist keine Hexerei. Ja, Ihr habt Euren Sohn Anthony gesehen, aber er starb wenig später. Dann wurde ich geboren, aber Ihr wart schon unterwegs, um den Priester zu holen. Darum habt Ihr nicht bemerkt, dass Mutter Zwillinge zur Welt gebracht hat.«
Lord Thomas begann zu verstehen. »Dann hat sie einfach ein Mädchen als meinen Sohn ausgegeben? Heißt das, dass vor Gott ein Weib auf den Namen eines Jungen getauft wurde? Was für eine Blasphemie! Wir sind verflucht, weil wir Gott hintergangen haben …« Er brach ab und sackte plötzlich wie ein alter Mann in sich zusammen.
»Vater … bitte … verzeiht Lady Margaret. Mutter tat es nur aus Liebe zu Euch. Sie wusste, wie sehr Ihr Euch einen Sohn gewünscht habt, und Ihr standet kurz davor, in den Krieg zu ziehen. Sie wollte, dass Ihr mit glücklichen Gedanken in den Kampf geht.«
Der Schwächeanfall war so schnell vorüber, wie er gekommen war. Lord Thomas schnellte wie eine Feder empor, das Gesicht vor Hass verzerrt. »Sie hoffte wohl, dass ich in der Schlacht fallen und niemals zurückkehren würde«, traf er den Nagel auf den Kopf. »Margaret wusste genau, dass ich ein weiteres Versagen ihrerseits nicht mehr gebilligt und sie fortgejagt hätte. O Gott, was für verschenkte Jahre! Vierzehn Jahre hätte ich Zeit gehabt, eine starke und gesunde Frau zu ehelichen und mit ihr einen gesunden Sohn zu zeugen. Das wird sie mir büßen. Das schwöre ich, so wahr ich Thomas Fenton heiße!« Er hob drohend seine Faust, dann winkte er Norman zu sich.
»Mylord?«
»Nimm die besten meiner Männer. Du reitest noch heute nach Devon und sorgst dafür, dass dieses verräterische Weib und die Hexe von Kinderfrau mein Haus verlassen.«
»Vater!«, rief Antonia. »Das könnt Ihr nicht machen!«
»Halt deinen Mund! Wenn ich mit deiner Mutter fertig bin, dann bist du an der Reihe. Norman, die Weibsbilder können ihre persönlichen Sachen und die Kleider mitnehmen. Aber du bist mir dafür verantwortlich, dass kein wertvoller Gegenstand in ihre Beutel wandert.«
»Wohin soll ich die Frauen bringen?«, fragte Norman mit verschlossenem Gesicht.
»Nirgendwohin. Du wirst sie ins Moor führen, sie haben es nicht anders verdient. Auch das Personal muss gehen, gewiss waren sie alle an dem Komplott beteiligt. Dann verriegelst du Fenton Castle und bringst mir persönlich den Schlüssel. Hast du verstanden?«
Norman nickte und deutete eine Verbeugung an. »Ich werde so schnell wie möglich aufbrechen.«
»Nein, Norman!«, rief Antonia. »Ich bitte Euch, tut das nicht! Vergreift Euch nicht an zwei hilflosen Frauen.«
Norman zögerte, doch dann wandte er sich zu Antonia und beugte sich so tief über sie, dass sie seinen heißen Atem an ihren Wangen spüren konnte. »Nie zuvor in meinem Leben hat mich ein Mensch so sehr blamiert. Nicht nur, dass du als Knappe es gewagt hast, mich vor dem König herauszufordern, nein, ich kämpfte gegen ein Weib! Wochenlang hast du mich an der Nase herumgeführt, hinter meinem Rücken über mich gelacht …«
»Das habe ich niemals!«, unterbrach Antonia ihn.
Norman umklammerte das Handgelenk ihres verletzten Armes so stark, dass ihr vor Schmerzen die Tränen in die Augen traten. »Ja, heul jetzt nur wie ein Weibsstück. Ich schließe mich deinem Vater an – du bist eine Hexe und hast Gottes Gesetze besudelt. Ich hoffe nur, du wirst deine gerechte Strafe bekommen.« Mit einem verächtlichen Schnauben ließ er sie los und stürmte davon.
Lord Thomas warf einen letzten hasserfüllten Blick auf Antonia. »Wenn ihre Wunden versorgt sind, sperrt sie in den Kerker. Ich werde mich mit dem König beraten, was mit ihr geschehen soll.«
Während der Wundarzt saubere Tücher um ihre Schulter band, trat Master Rowse an ihre Seite. Für einen Augenblick sah Antonia so etwas wie Mitleid in
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