Königin für neun Tage
seinen Augen aufflackern, dann verschloss sich sein Blick.
»Du hast die Ehre der Ausbildungsstätte von Hampton Court beschmutzt«, stellte er kalt fest, »und damit auch meine Ehre. Wage es niemals wieder, unter meine Augen zu treten.«
Fest presste Antonia die Kiefer aufeinander, um nicht laut aufzuschreien, als der Arzt den Verband festzog. Es war zu offensichtlich, dass er zwar seine Arbeit tat, sie dabei aber keineswegs schonte. Was würde jetzt mit ihr geschehen? Würde man sie wirklich in ein Verlies sperren und ihr den Prozess als Hexe machen? Was geschah mit ihrer Mutter und mit Ellen? Sie stöhnte laut auf, was ihr aber nur einen hohnvollen Lacher des Arztes einbrachte, der sie nun unsanft von der Pritsche zog und in die Hände von zwei Männern schubste.
»Ihr habt den Befehl Mylords gehört. Bringt sie in das Verlies neben der alten Küche und passt auf, dass sie euch nicht entwischt.«
Grob wurde Antonia zum Ausgang gezerrt. Da hörte sie eine helle, kräftige Stimme: »Halt! Bringt das Mädchen in meine Gemächer.«
Antonia wurde so plötzlich losgelassen, dass sie zu Boden fiel und sich schmerzhaft die Knie aufschlug. Beim Aufstehen sah sie, wie sich alle Männer verbeugten. Sie hob den Blick und erkannte Königin Catherine, die stolz und majestätisch im Türrahmen stand.
»Meine Königin …«, stammelte sie nun und versuchte, sich ebenfalls zu verbeugen. Der scharfe Schmerz in ihrer Schulter ließ sie jedoch laut aufschreien.
Die Königin gab ihren Damen, die sie begleitet hatten, einen Wink und wiederholte: »Bringt sie in meine Gemächer und schaut, dass sie anständig versorgt wird.« Dann drehte sie sich um und ging hocherhobenen Hauptes davon.
Die Männer sahen sich unsicher an.
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte einer. »Lord Fenton wollte doch …«
»Ihr habt den Wunsch der Königin gehört!«, brüllte Master Rowse. »Also los, bringt das Weib in den Palast.«
Nachdem der König den Turnierplatz verlassen hatte, war Catherine in die Waffenkammer geeilt, um sich nach dem Befinden des mutigen Knappen zu erkundigen. Sie hatte die Wut Lord Fentons bemerkt und befürchtet, er könnte seinem Sohn etwas antun. Die Männer hatten vor Aufregung nicht bemerkt, dass die Königin die ganze Zeit im Türrahmen gestanden und alles mit angehört hatte. Catherine war über den Betrug des Knappen zwar ebenso entsetzt, aber sie empfand auch Mitgefühl für das Mädchen. Sie wusste um ihren Einfluss auf den kranken König, und sie wollte sich dafür einsetzen, dass dem Kind kein Leid geschah.
Langsam beruhigte sich Antonia. Man hatte sie in eine kleine Kammer im ersten Stock des Palastes gebracht. Der Raum war spärlich, aber zweckmäßig eingerichtet, und auf dem Boden lagen duftende Binsen. Ihr Zittern ließ nach, als vorsichtige Hände sie erneut entkleideten. Erschöpft ließ sie sich in den Zuber mit dem warmen Wasser, dem duftendes Rosenöl zugesetzt worden war, gleiten. Die beiden älteren Frauen wuschen sie, dabei sparten sie die verletzte Schulter aus und achteten darauf, dass kein Wasser in die Wunde drang. Dann wurde sie in warme Tücher gehüllt, und eine der Frauen legte einen neuen, mit Heilkräutern getränkten Verband an. Man brachte ihr eine Schüssel mit dicker Gemüsesuppe und Weißbrot, und erst als sie den Löffel zum Mund führte, merkte Antonia, wie hungrig sie war. Dankbar nahm sie einen Becher mit einer süßen Flüssigkeit entgegen.
»Das müsst Ihr trinken, dann werdet Ihr tief und ruhig schlafen«, sagte die Frau, deren Kleidung sie als Magd auswies.
Antonia leerte den Becher in einem Zug. Wenig später merkte sie, wie ihre Glieder schwer wurden, die Schmerzen in ihrer Schulter nachließen und sie kaum noch die Augenlider offen halten konnte. Noch bevor ihr Kopf das Kissen berührte, war sie eingeschlafen.
Als Antonia erwachte, wusste sie im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Sie wunderte sich nur, dass alles um sie herum so still war, denn sonst herrschte in der Unterkunft der Knappen hektische Betriebsamkeit, durchsetzt mit den scharfen Befehlen von Master Rowse. Dann sah sie, wie die Morgensonne durch die bleiverglasten Scheiben fiel und Kringel auf den Binsen bildete. Statt des harten Strohs spürte sie unter sich die weichen Laken, und ihre Erinnerung an den gestrigen Tag kehrte zurück. Unter Stöhnen richtete sie sich auf. Ihre Schulter schmerzte stark, und ein Blick auf den Verband zeigte ihr, dass die Wunde wieder hatte zu bluten begonnen.
Gerade als Antonia
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