Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
Vom Netzwerk:
einem heftigen Fieber. Obwohl es niemand offen aussprach, wusste ein jeder, dass sein Tod nahe war. Antonia beobachtete, wie sich der Hof in zwei Lager spaltete: Die eine Hälfte scharte sich schleimig um den Monarchen, in der Hoffnung, noch vor seinem Tod mit Titeln oder Ämtern bedacht zu werden. Die andere, in Antonias Augen klügere Hälfte hofierte Prinz Edward in einer Art und Weise, die Antonia beinahe Übelkeit verursachte. Sie empfand tiefes Mitleid mit dem zarten Jungen, der in absehbarer Zeit die Last des Königreichs auf seinen schmalen Schultern tragen würde. Man sah Edward an, dass er vor dieser Verantwortung am liebsten geflohen wäre und sich irgendwo in einer Höhle verkrochen hätte.
Kurz vor Weihnachten wurden der Prinz und seine Halbschwester Elizabeth aus Whitehall fortgeschickt.
Königin Catherine war erbost, als sie erfuhr, dass auch sie nach Greenwich übersiedeln sollte. »Henry braucht mich! Ich werde ihn auf keinen Fall verlassen!«
Antonia hatte nie geglaubt, dass Catherine dem König in tiefer Liebe zugetan war. Jetzt erst erkannte sie, dass wirklich Zuneigung und Sorge Catherine gegen die Räte aufbrachte.
»Mylady, es ist der Wunsch des Königs«, antwortete John Dudley, ein Mitglied des Kronrates, vorsichtig. »Er braucht absolute Ruhe, um sich von seinem Anfall zu erholen.«
»So ein Unsinn! Henry braucht meine Pflege. Er hat mir oft genug versichert, dass nur ich mich um sein schlimmes Geschwür so kümmern kann, dass er für einige Zeit seine Schmerzen vergisst. Er braucht meine Salben und Tinkturen!«
»Meine Königin, Ihr habt Euch den Befehlen des Königs wie wir alle hier zu beugen. Er ist Euch gegenüber ohnehin viel zu nachsichtig.«
Antonia fand den scharfen, zurechtweisenden Tonfall anmaßend. Überhaupt war dieser John Dudley ein ausgesprochen unsympathischer Mann. Antonia hatte ihn und Sir Norman an einem trockenen Tag im Park beim Tennisspielen beobachtet. Das Spiel, vor Jahren von König Henry erfunden, hatte sich bei Hof etabliert, und die Männer verausgabten sich oft und gerne bei dem Schlagabtausch mit dem kleinen Ball. Antonia bedauerte es, dass es den Frauen untersagt war, ebenfalls zum Schläger zu greifen. Nach der Partie hatte Dudley vertrauensvoll seinen Arm um den jüngeren Mann gelegt, die beiden unterschiedlichen Männer schienen sich gut zu verstehen. Dudleys Gesichtszüge wirkten auf Antonia verschlagen wie die eines Fuchses, sein Blick irrte stets rastlos hin und her. Zweifelsohne übte er aber großen Einfluss auf den König aus und stand mit dem finsteren Edward Seymour an der Spitze des Kronrates.
Catherine fügte sich den Anordnungen ihres Gemahls, ebenso wie der Prinz und Elizabeth, die zu ihrem Bedauern in verschiedene Häuser geschickt wurden. In einem letzten Versuch bat Catherine, man möge sie und die Kinder zusammenlassen, aber ihr wurde der Zugang zu den königlichen Gemächern verwehrt, und der Kronrat schenkte ihr kein Gehör. So reiste zuerst Edward nach Ashridge in Hertfordshire ab, dann begab sich Elizabeth in den Palast zu Enfield, und Antonia zog mit den Hofdamen und der Königin in den Palast von Greenwich, wo sie ein stilles Weihnachtsfest verlebten. Heftiger Schneefall und klirrender Frost machten Aufenthalte im Freien unmöglich. Die Damen scharten sich um die Kamine, aber in dem alten Gemäuer zog es durch jede Ritze, so dass Antonia die meiste Zeit fror. Die Königin bemühte sich, die Weihnachtstage unbeschwert zu verbringen und sich ihre Sorgen nicht anmerken zu lassen. Reichhaltige Speisen wurden aufgetischt, in der Halle spielten Musikanten auf, und Gaukler führten ihre Kunststücke vor. Dennoch wollte sich bei niemandem eine Festtagsstimmung einstellen. Ruhig und ereignislos verging der Jahreswechsel. Aus Whitehall kamen nur selten Nachrichten, aber dann berichtete ein Bote, er hätte auf der Straße gehört, dass der König einen Vers über seinen Tod verfasst hätte:
    »Drei Catherinen, zwei Annen und eine Jane freite ich;
Eine Spanierin, eine Deutsche und vier englische Weiber.
Von zwei ließ ich mich scheiden, zwei ließ ich enthaupten;
Eine starb im Wochenbett, und eine wird mich überleben …«
    Catherine bat, zu ihrem Gemahl gelassen zu werden, aber es wurde ihr erneut verwehrt. Dann folgten Nachrichten, dass des Königs Bein vollständig geheilt und das Geschwür verschwunden sei, der König mache bereits wieder Leibesübungen im Hof. Es war allerdings nur das letzte Aufbäumen dieses Mannes, der die Geschichte

Weitere Kostenlose Bücher