Königin für neun Tage
Mutter und Ellen leben zu können.
Lady Catherine hielt für Antonia jedoch noch mehr Neuigkeiten bereit – und diese sollten ihr Leben nachhaltig verändern.
»Ich habe mich entschlossen, einige junge Damen ihrem Stand entsprechend unterrichten zu lassen«, sagte Lady Catherine. »Nach unserer Hochzeit wird eine entfernte Verwandte meines ersten Mannes hier eintreffen. Den Kronrat habe ich um Erlaubnis gebeten, meine Stieftochter Elizabeth und ihre Cousine Jane Grey in mein Haus aufnehmen zu dürfen. Wir werden also einen großen Haushalt führen und in naher Zukunft auf den Landsitz Sudeley Castle in den Cotwolds übersiedeln.«
Antonia stockte der Atem. Sie sollte zusammen mit Elizabeth Tudor, der Tochter von König Henry und Anne Boleyn, unterrichtet werden! Auch Jane Grey gehörte zur königlichen Familie. Deutlich erinnerte sich Antonia an das Mädchen, in dessen Gemächer sie unberechtigterweise in Hampton Court eingedrungen war. Das Kind hatte so erwachsen, so kühl und beherrscht reagiert.
In Antonia stritten gemischte Gefühle. Einerseits wusste sie, dass Lady Catherine ihr eine einmalige Chance bot, zu lernen und ihr Wissen zu erweitern und so in die Schicht gebildeter Frauen aufzusteigen. Andererseits bereitete ihr die Vorstellung, mit Prinzessin Elizabeth unter einem Dach zu leben, Unbehagen. Antonia sehnte sich nach Ruhe und Abgeschiedenheit, aber mit der Prinzessin im Haus würde dies wohl kaum möglich sein. Als sie sah, wie jetzt Thomas Seymour seinen Arm zärtlich um Lady Catherine legte und sie liebevoll an sich zog, durchzog ihr Herz ein kleiner Stich. Würde ein Mann sie jemals mit solch zärtlichen Blicken ansehen, sich jemals liebevoll um ihr Wohlergehen sorgen? Die Worte ihres Vaters klangen bitter in ihrem Gedächtnis: Sie war zu groß und zu hager, um auch nur annährend als hübsch zu gelten. Mehrmals hatte Antonia miterleben können, welche Art von Frauen Norman bevorzugte: ausladende üppige Formen, herzförmige Gesichter mit unschuldig blickenden Augen.
Sie bat, sich zurückziehen zu dürfen, und merkte, dass Lady Catherine ihre Anwesenheit inzwischen vergessen hatte. Sie gönnte der Königinwitwe ihr neues Glück von ganzem Herzen und würde es ihr niemals vergessen, dass sie ihren Einfluss auf Thomas Seymour geltend gemacht hatte, um sie vor der verhassten Heirat zu bewahren.
Catherine Tudor und Thomas Seymour, Lord Sudeley, heirateten in aller Stille. Neben Antonia waren nur ein paar vertrauenswürdige Dienstboten in der Halle versammelt, die mit schlichtem Schmuck in eine Art Kapelle verwandelt worden war. Der reformierte Glaube, dem auch Thomas Seymour anhing, erforderte kein Gold und keine kostbaren Gegenstände. Nach einem einfachen, aber schmackhaften Essen, ohne Musik und Tanz, teilte die frischgebackene Lady Sudeley mit, dass die Mädchen, die sie in ihr Haus eingeladen hatte, bereits Anfang nächster Woche eintreffen würden. Antonia wusste, dass ihr eine aufregende Zeit bevorstand, und sie sah ihr mit Spannung entgegen.
7. KAPITEL
Maryrose Borough kam als Erste in Chelsea an. Sie war eine Urgroßnichte von Lord Borough, dem ersten Ehemann Lady Catherines. Obwohl ein Jahr jünger als Antonia, wirkte Maryrose wesentlich fraulicher und reifer. Mit ihren goldblonden Locken und den großen blauen Augen sah sie aus wie die engelhafte Unschuld, doch etwas in ihrem Wesen ließ Antonia vermuten, dass Maryrose keinesfalls so brav und unwissend war, wie es den Anschein hatte. Lady Catherine hatte ihr und Maryrose ein gemeinsames Zimmer zugewiesen.
»Du hast in deinem Leben nie eine Freundin gehabt, Antonia. Es wird Zeit, dass du gleichaltrige Mädchen zur Gesellschaft hast. Ich bin überzeugt, mit Maryrose wirst du dich gut verstehen.«
Dessen war sich Antonia keinesfalls sicher, dennoch beschloss sie, erst einmal abzuwarten, bis sie ein endgültiges Urteil über das Mädchen fällen konnte. Ihre erste spontane Abneigung lag sicherlich darin begründet, dass Maryrose den Typ Frau verkörperte, den Norman Powderham bevorzugte. Sie selbst würde niemals so weiblich aussehen und so schutzbedürftig wirken.
Während eine Dienerin ihre Sachen auspackte, sah sich Maryrose neugierig in dem Zimmer um. An den gegenüberliegenden Wänden waren die Betten in zwei Alkoven eingelassen, jeder konnte mit einem Vorhang verschlossen werden. An den Wänden hingen Gobelins mit bunten Jagdmotiven. Zwei Truhen, ein Tisch und vier Stühle vervollständigten die Einrichtung. Mit einem Freudenschrei ließ
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