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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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sie sich auf ihr Bett fallen und reckte die Arme in die Höhe.
»Endlich bin ich hier! Du glaubst ja nicht, wie froh ich war, als Mutter mir sagte, dass Lady Catherine mich in ihr Haus eingeladen hat.«
»Sie hat Roger Ascham bestellt, um uns zu unterrichten«, sagte Antonia. »Nach dem Tod Grindals hat er Lady Elizabeth unterwiesen. Er soll ein gelehrter Herr sein, allerdings auch sehr streng, und er verlangt viel von seinen Schülern. Bist du gut in Latein und Griechisch?«
Maryrose drehte sich mit einem erstaunten Blick zu Antonia um. »Griechisch? Ach du meine Güte, ich bin doch nicht gekommen, um meine Zeit in dumpfen Räumen über staubigen Büchern zu verbringen!« Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass sich ihre Locken aus der Haube lösten. »Chelsea ist zwar nicht der Hof, aber allein die Tatsache, dass Lady Elizabeth hier weilen wird, lässt auf Empfänge und Feste mit Tanz und Musik hoffen.«
»Lady Catherine hat uns nicht eingeladen, damit wir ausgelassen tanzen, sondern damit wir uns weiterbilden«, mahnte Antonia, »Prinzessin Elizabeth und Lady Jane Grey sollen sehr gebildete Mädchen sein.«
Gleichgültig zuckte Maryrose mit den Schultern. »Ich weiß nur, dass ich vom Leben mehr erwarte, als philosophische Texte zu übersetzen oder lange Zahlenkolonnen zusammenzurechnen. Das langweilige Dasein bei uns in Northumberland, wo es Tage, manchmal sogar Wochen dauert, bis Nachrichten vom Hof zu uns gelangen, hatte ich schon lange satt. Aber hier pulsiert das Leben, Whitehall ist nicht weit entfernt, ach, es wird sicher aufregend werden! Du warst ja schon am Hof – sicher wimmelt es da von unverheirateten, hübschen Männern?«
Wider Willen musste Antonia über die naive Bemerkung lächeln. Nein, dieses Mädchen würde gewiss keine Freude für den Gelehrten Roger Ascham sein, dem der Ruf vorauseilte, über seinen Büchern alles andere zu vergessen.
    Zwei Tage später fanden sich Antonia und Maryrose zur Begrüßung der anderen Schützlinge Lady Catherines im Hof ein. Lady Elizabeth ritt auf einer Schimmelstute, während Jane Grey aus dem Wagen stieg. Antonia hatte Elizabeth Tudor bereits aus der Ferne gesehen und fiel jetzt in einen tiefen Knicks. Die Tochter Henrys war ein Jahr jünger als Antonia, glich ihr aber in Größe und Statur. Ihre elfenbeinfarbene Haut schimmerte wie glänzendes Porzellan, ihr offener Blick aus graugrünen Augen zeigte eine Spur von Misstrauen. Sie trug ihr rotgoldenes Haar offen, und Antonia musste sich eingestehen, dass sie nie zuvor ein Mädchen gesehen hatte, von dem mehr Würde und innere Schönheit ausgegangen war. Elizabeth nickte ihr und Maryrose kurz zu, dann umarmte sie Lady Catherine herzlich, und die beiden Frauen küssten sich auf die Wangen. Jane Grey hielt sich schüchtern im Hintergrund.
Antonia hatte sie, in deren Zimmer sie in Hampton Court eingedrungen war, sofort erkannt und knickste auch vor ihr. »Lady Jane, seid herzlich willkommen in Chelsea.«
Plötzlich leuchtete in Janes Augen ein Funken des Erkennens auf. Sie umarmte Antonia herzlich und flüsterte ihr, nur für sie beide hörbar, ins Ohr: »Nenn mich Jane …
Knappe

Erschrocken zuckte Antonia zurück. Nie hätte sie gedacht, dass Lady Jane sich an sie erinnern würde. Das verschwörerische Blinzeln in Janes Augen aber beruhigte sie, und sie lächelte erleichtert zurück.
Nach der allgemeinen Begrüßungszeremonie gingen sie alle zusammen in die große Halle, wo Diener einen kleinen Imbiss für die Reisenden vorbereitet hatten.
Als Maryrose neben Antonia durch das Tor trat, raunte sie: »Es soll sich nur niemand einbilden, dass ich Kindermädchen spiele. Ich habe keine Lust, mich um diese langweilige Jane zu kümmern.«
Antonia verzichtete auf eine Antwort, aber ihr Herz flog Jane Grey zu. Erst zehn Jahre war sie alt und wurde von einem Haus in das nächste herumgeschubst, lebte mal am Hof, dann wieder in ihrem Heim in Bradgate Park, nördlich von Leicester. Obwohl Jane mehrere Geschwister hatte, wirkte sie auf Antonia einsam und für ihr Alter viel zu erwachsen.
Während des Essens ließ Antonia ihre Blicke über die ungleiche Gesellschaft schweifen. Elizabeth saß aufrecht, als habe sie einen Stock verschluckt, und vermittelte ganz den Eindruck einer Königin. Sie stand in der Thronfolge allerdings erst an zweiter Stelle. Sollte König Edward kinderlos sterben, stand zunächst seiner älteren Schwester Mary die Krone Englands zu. Auch Mary Tudor konnte noch heiraten und Kinder bekommen. Erst

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