Königin für neun Tage
Vaters. Man kann gespannt sein, wie viele Titel und Besitztümer John Dudley dem König noch abschwatzen wird.« Die Anerkennung in seiner Stimme war unüberhörbar.
Zornig stampfte Antonia auf. »Ich werde niemanden heiraten! Weder nächste Woche noch sonst irgendwann, und schon gar nicht ein Kind, das mein Vater ausgewählt hat, um seine eigene Position am Hof zu stärken. Es ist mir vollkommen gleichgültig, dass dieser Dudley einen weiteren Titel erhalten hat. Graf von Warwick! Pah! Wenn der Kronrat so weitermacht, werden die englischen Besitztümer bald aufgebraucht sein.«
Normans Mundwinkel hoben sich ein wenig, das Lächeln erreichte jedoch nicht seine Augen. »Ich wüsste nicht, wie es dir gelingen sollte, dich gegen den Willen deines Vaters zu stellen. Er hat dir die Maskerade nicht verziehen – wird es wahrscheinlich niemals tun –, daher kannst du dich glücklich schätzen, dass er dir einen solch reichen und angesehenen Ehemann besorgt. Ja, du kannst wirklich von Glück sagen, dass überhaupt jemand ein Mädchen, das reitet und kämpft wie ein Mann und einem Knaben mehr gleicht als einem Weib, zur Frau haben will.«
Antonia kämpfte mit den Tränen. Wie hatte sie einen Moment lang glauben können, Norman hätte ihr verziehen? Nie würde er sie mit dem Blick ansehen, den er unzähligen drallen und willigen Mägden und Schankmädchen schenkte. »Wenn Ihr nur gekommen seid, um mich zu beleidigen …«
»Halt! Ich bin nicht wegen dir gekommen, sondern fungiere als Überbringer eines Dokumentes für die Königinwitwe. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass du hier im Garten auf mich gelauert hast.«
Antonia war kurz davor, Norman ihre kleine Faust mitten ins Gesicht zu schlagen. Alles in ihr sehnte sich danach, mit diesem großen, selbstherrlichen Mann zu kämpfen – und ihn zu besiegen! Dann aber würde er merken, wie sehr seine Worte sie getroffen und ihren Stolz verletzt hatten, und das war das Letzte, was Antonia wollte.
»Ihr begrüßt es also, dass ich die Frau von Guildford Dudley werde?«, fragte sie. »Verheiratet mit einem gerade mal elf Jahre alten Jungen?«
Sir Norman zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Er mag jetzt noch jung an Jahren sein, aber sein Geist ist sehr viel reifer.« Antonia erinnerte sich, ähnliche Worte bereits von ihrem Vater gehört zu haben. »Zudem lässt sein Äußeres jetzt schon vermuten, dass er eines Tages ein schöner Mann werden wird. Man muss sich nur seine älteren Brüder betrachten, allen voran Robert. Wo er auftaucht, bricht er reihenweise die Herzen der Frauen, was ich allerdings nicht verstehen kann, denn ich halte ihn für einen aufgeblasenen Angeber und Emporkömmling, der früher oder später böse auf seine hübsche Nase fallen wird. Dann wird ihm auch seine Freundschaft zu Lady Elizabeth nichts mehr nützen.«
»Seid Ihr etwa eifersüchtig auf Robert Dudley?«, entfuhr es Antonia spöttisch. Der Blick, den sie für diese Worte erntete, war vernichtend.
»Es wird Zeit, nach Whitehall zurückzukehren«, sagte er kühl und wandte sich ab.
Erst als er hinter der mannshohen Taxushecke verschwunden war, fiel Antonia auf, dass er sich nicht mit einer Verbeugung von ihr verabschiedet hatte, wie es ihr als einer Dame des Adels zugestanden hätte.
Nach einer weiteren schlaflosen Nacht, in der sich neben den Sorgen um ihre Verheiratung die Wut über Normans Verhalten schlich, wurde Antonia endlich aufgefordert, Lady Catherine in dem kleinen Nebenraum der Halle aufzusuchen.
Antonia flog beinahe die Treppe hinab und trat nach einem kurzen Anklopfen ein. Im Kamin brannte ein großes Feuer und wärmte den Raum, auf dem Tisch standen ein Krug und mehrere Becher mit Wein. Bei ihrem Eintreten erhob sich ein Mann, der Antonia bekannt vorkam. Lady Catherine blieb sitzen und winkte sie zu sich heran.
»Mein lieber Thomas, darf ich dir Mistress Antonia Fenton vorstellen?«
Im Gegensatz zu Norman Powderham schien dieser Mann zu wissen, wie man sich gegenüber einer Dame benahm, auch wenn sie erst vierzehn Jahre alt war, stellte Antonia befriedigt fest, als der Angesprochene sich leicht über ihre Hand beugte und einen Kuss andeutete.
Lady Catherine bedeutete ihr, für sich und den Gast Wein einzuschenken, und gebot Antonia, sich zu setzen. Dann richtete sie das Wort an sie: »Antonia, vor einigen Tagen habe ich dir versprochen, mit allen Mitteln zu verhindern, dass Lord Fenton dich mit Guildford Dudley verheiratet. Ich muss zugegeben, dass meine Worte vielleicht etwas
Weitere Kostenlose Bücher