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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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Pate von deren erster Tochter Frances, meiner Mutter.«
»Dann bist du also die Urenkelin von Henry VII.«, kombinierte Antonia richtig. »Die Verwandtschaft zu Edward Tudor ist aber so weitläufig, dass es bei einer Vermählung keine Schwierigkeiten geben würde.«
Jane erhob sich und schlang fröstelnd die Arme um sich. Die beiden Mädchen hatten nicht bemerkt, wie kühl es geworden war.
»Noch sind Edward und ich Kinder. Es ist müßig, sich jetzt schon den Kopf darüber zu zerbrechen, was in ein paar Jahren geschehen wird. Aber ich rede und rede, derweil wir uns hier noch einen Schnupfen holen.«
Antonia stimmte in ihr Lachen ein. Spontan legte Antonia den Arm um Jane, und Seite an Seite kehrten sie ins Haus zurück. Wieder hatte Antonia das Gefühl, das Mädchen vor aller Unbill dieser Welt schützen zu müssen. Gleichzeitig wusste sie, dass sie gegen die Machenschaften hoher Herren nichts würde ausrichten können.
    Im folgenden Januar erfuhr Antonia, dass sich ihr Vater, Lord Fenton, in sein Haus zurückgezogen hatte. Er und der Lordprotektor, der das Land und König Edward beherrschte, sympathisierten nicht miteinander, und auch die nach wie vor bestehende Freundschaft zu John Dudley änderte nichts an der Tatsache, dass Thomas Fenton bei Hof unerwünscht war. Antonia empfand kein Mitleid mit ihrem Vater, er war ihr gleichgültig, vielmehr interessierte es sie brennend, wie es Norman Powderham erging. Leider gab es über ihn keine Nachrichten in Chelsea.
An einem sonnigen Februartag, an dem der nahende Frühling bereits erste Vorboten übers Land schickte, spazierten Antonia und Maryrose auf den von Schneeglöckchen gesäumten Wegen durch die Gärten. Plötzlich hörten sie hinter einer Ecke laute Stimmen. Antonia erkannte die des Admirals, Lady Catherine lachte, und dazwischen kreischte Elizabeth laut auf. Antonia wechselte mit Maryrose einen raschen Blick, dann rafften sie ihre Röcke und eilten zu der Stelle, wo ein seltsames Schauspiel stattfand. Im ersten Augenblick meinte Antonia, Lord Seymour wolle Elizabeth angreifen, denn er hielt einen Dolch in der Hand, mit dem er ihr über das Mieder fuhr. Entsetzt versuchte Elizabeth, den Samtstoff des schwarzen Kleides, der nach allen Seiten aufklaffte, zusammenzuhalten. Nun schlitzte Thomas Seymour den weiten, bauschigen Rock des Kleides vom Saum bis zur Taille der Länge nach auf, bis das Gewand in Fetzen von Elizabeths Körper fiel und sie nur noch im Unterkleid dastand. Daraufhin trat eine Stille ein, die eine Ewigkeit zu dauern schien. Antonia war so verblüfft, dass sie wie angewurzelt stehen blieb und nicht zu atmen wagte.
Lady Catherines Gesicht war aschfahl, ihre Hände zitterten. Schließlich würgte sie hervor: »Thomas! Du treibst deine Spielchen wirklich zu weit!« Sie bemühte sich um ein Lächeln, was ihr aber gründlich misslang.
»Ach, Catherine, dieses grässliche schwarze Kleid macht Elizabeth viel zu alt und matronenhaft. Ich habe ihr nur gezeigt, was ich davon halte.«
»Ihr … Ihr … habt mein Kleid ruiniert!«, keuchte Elizabeth. »Ihr werdet mir ein neues bezahlen müssen!«
Lord Seymour lachte laut auf. »Mit dem größten Vergnügen bezahle ich Euch ein neues, dann aber eines, das mir gefällt!« Breitbeinig und selbstherrlich stand er vor den beiden Frauen. Den Blick, mit dem er Elizabeths Körper betrachtete, konnte Antonia nur als lüstern bezeichnen. Instinktiv griff sie nach der Hand von Maryrose, die den Druck erwiderte, und langsam zogen sie sich zurück. Antonia konnte noch hören, wie Lady Catherine sagte: »Elizabeth, du bist halb nackt! Am besten gehst du sofort ins Haus zurück. Was sollen denn die Leute denken!«
Lady Catherines Stimme klang nun unbeschwert und lachend, aber Antonia hörte unterschwellig die Verzweiflung, die darin schwang. Sie fragte sich, ob Maryrose mit ihren Behauptungen, der Admiral hätte ein Auge auf Elizabeth geworfen, nicht doch Recht hatte.
In den nächsten Tagen war die Stimmung etwas gedrückt. Elizabeth saß mit hoch erhobenem Kopf bei ihren Studien, derweil Jane den Eindruck vermittelte, sie müsse sich für ihre bloße Existenz entschuldigen. Antonia dachte an das lange Gespräch mit Jane im Garten und wie gelöst sie dabei gewesen war. In Gegenwart von Elizabeth verwandelte sich Jane stets in ein zurückhaltendes Mäuschen, das einzig und allein durch ihr Wissen glänzte. Nach dem Vorfall mit dem Kleid schien sich der Admiral nun etwas zurückzuhalten. Antonia fiel auf, dass er seine

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