Königin für neun Tage
Frau zu machen, aber ich kann ihr nicht zumuten, mit einem Todgeweihten vor den Altar zu treten.«
»Deswegen bitte ich Euch um Eure Zustimmung, Lady Jane mit meinem Sohn Guildford zu verheiraten«, sagte Dudley direkt. Es war nicht an der Zeit, um den heißen Brei herumzureden. Gespannt erwartete er Edwards Reaktion:
»Guildford? Ich denke nicht, dass ich Euren Sohn bereits am Hof habe begrüßen können.«
»O nein, Euer Gnaden, mein jüngerer Sohn hält sich meist in Warwick auf, um dort seinem Studium nachzugehen. Er ist sehr belesen und gelehrt, liebt die alten Griechen genauso wie die neuen deutschen Schriften über die Reformation. Ihr seht, in dieser Hinsicht ist er die perfekte Ergänzung zu Eurer Cousine.«
»Jane …« Ein wehmütiges Lächeln umspielte des Königs Lippen. »Ja, sie braucht einen Mann, der ihr geistig ebenbürtig ist. Davon gibt es nicht viele in England. Ich möchte nur das Beste für Jane. Wie könnte ich daran zweifeln, dass ein Sohn von Euch, Mylord Northumberland, nicht das Beste für sie wäre?«
Dudley hätte vor Freude jubeln mögen, er beherrschte sich aber und senkte nur dankend den Kopf. »Leider sieht es Lady Jane nicht so. Sie weigert sich, meinen Sohn auch nur kennen zu lernen. Vielleicht, wenn Ihr …?«
Edward verstand. Er erhob sich langsam. »Ich werde sehen, was ich machen kann. Aber jetzt lasst mich allein, Mylord. Die Unterhaltung hat mich angestrengt, ich werde mich etwas hinlegen.«
Befriedigt verließ der Herzog den Palast. Er wollte Guildford gleich mit den Tatsachen vertraut machen. Zu dumm, dass sein Sohn Robert vor einigen Jahren dieses dumme Gänschen von Amy Robsart geheiratet hatte. Robert wäre für seine Zwecke der richtige Mann gewesen, aber nun musste eben Guildford daran glauben. Der König musste ja nicht erfahren, dass dieser seit Jahren kein Buch mehr angerührt hatte und nicht den Unterschied zwischen Plato und Aristoteles kannte. Jane würde sich, wenn sie erst verheiratet waren, schon an ihn gewöhnen. Bisher hatte noch keine Frau Guildfords Charme widerstehen können.
John Dudley rief zwei seiner Männer und befahl ihnen, sofort seinen Sohn zu ihm zu bringen.
»Wo sollen wir Lord Guildford suchen?«, fragte der Ältere.
Dudley grinste und zog beide Augenbrauen in die Höhe. »Sucht im Süden der Stadt, in Southwark, dort, wo die Hurenhäuser sind. Ich bin sicher, in einem werdet ihr ihn finden.«
Die Arme um die an den Körper gezogenen Beine geschlungen, das Kinn auf die Knie gestützt, kauerte Jane auf den Lumpen, die seit Tagen ihre Schlafstatt waren. Durch die kleine, vergitterte Luke fiel nur wenig Licht in die Dachkammer. Auch wenn sich keine Eisenstäbe vor dem Holzladen befunden hätten, wäre Jane die Flucht nicht gelungen, denn die Kammer lag im vierten Stock und es gab kein Spalier und keine Möglichkeit, die Wand zu bezwingen. Der kleine Raum war voller Gerümpel, Schmutz und Spinnweben. Zweimal am Tag wurde die Tür kurz geöffnet, und der Diener, der Jane auf Geheiß ihrer Mutter eingesperrt hatte, schob ihr ein Stück trockenes Brot und einen Krug Wasser herein. Jane hatte längst aufgehört zu weinen und in Selbstmitleid zu versinken. Es würde ja doch nichts ändern. Sie erinnerte sich an das Gespräch mit Roger Ascham. Der Lehrer hatte sie damals gefragt, wofür sie sterben würde, und sie hatte geantwortet: »Für meine Überzeugung.«
Nun, sie wollte eher sterben, als einen ungeliebten Mann zu heiraten. Nein, sie würde Edward und ihre Liebe zu ihm nicht verraten!
Ein leises Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken.
»Jane? Wie geht es dir, Jane?«
Mit einem Satz sprang Jane auf und eilte zur Tür. Dabei wurde ihr vor Hunger so schwindelig, dass sie beinahe gestürzt wäre.
»Antonia! Ich bin hier drin. Was haben sie mit dir gemacht?« So war Jane, stets dachte sie an die anderen zuerst.
»Deine Mutter hat mich ebenfalls eingeschlossen«, wisperte Antonia durch die Tür. »Ich darf nur zu den Mahlzeiten raus, stehe aber unter strenger Bewachung.«
»Wieso bist du jetzt hier?«
»Sie hat heute vergessen, meine Tür abzuschließen. Ich muss aber gleich wieder zurück, bevor sie merkt, dass ich nicht in meinem Zimmer bin. Kann ich etwas für dich tun, Jane?«
Ja, hol mich hier raus und flieh mit mir, wollte Jane rufen, doch sie besann sich. Resignation mischte sich in ihre unbändige Wut. »Sorge dich nicht um mich, Antonia. Meine Eltern werden mich nicht ewig einsperren können.«
»Schlägt sie dich noch?«, fragte
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