Königliche Republik (German Edition)
wurde.
Schließlich
ließ sie Fabrizio anschirren. „Ich will wissen, wer die
Schuld trägt“, begründete sie die Fahrt zum
Pizzofalcone.
Und
Rita, die plötzlich ihre Weisheit gefunden zu haben schien,
erstickte Enzos Protest im Keim und ließ sie mit einem
ermutigenden Wort gehen. Enzo schien darauf noch fassungsloser, aber
Mirella wunderte sich gar nicht. Die Mutter, das hatte sie begriffen,
hatte es faustdick hinter den Ohren. Mochte sie nie auch nur ahnen,
was sich tatsächlich abgespielt hatte.
Die
Kreuzwegstationen wurden auf dem Weg zur Kirche der Santa Maria
degli Angeli aufgebaut, unerreichbar von den Geschützen der
Spanier im Hafen. Entlang des Weges für die
Karfreitags-Prozession schmückten die Neapolitaner wie immer
ihre Häuser mit Blumen, Kruzifixen und Ikonen.
In
diesem hoch gelegenen Teil der Stadt bewegten sich die Menschen, als
herrsche Frieden. Die ersten hatten ihre Bänke vor die Häuser
gestellt und saßen, mit den Nachbarn plaudernd, in der Sonne.
Doch es wurde kaum gelacht; nur die Kinder vergnügten sich. Und
die Gespräche drehten sich allenthalben um die Belagerung und
den Krieg, wie die Blicke zum Hafen und die Gesten zum Fort auf
Nisida bewiesen.
Mirella
betrat nach einem kurzen Plausch mit Cristina den Gallo bianco .
Die
Trattoria war voll. Händler und gut angezogene Bürger
drängten sich an den Tischen und um den Schanktisch. Der Qualm
vieler Pfeifen verdunkelte die Decke des Schankraums und biss Mirella
in die Nase, denn die Fenster waren trotz des sommerlichen Wetters
geschlossen.
Am
Schanktisch gab es eine erregte Debatte zwischen einem Fischer und
zwei Männern. Sie waren wie gewöhnliche Händler in
Mäntel aus solidem Hanfleinen gekleidet. Aber Schuhe ohne
Gamaschen und Halstücher, die wie ungeübt gebunden wirkten.
Offensichtlich wollten sie den Eindruck vermitteln, sie seien weniger
als sie waren. Den Älteren hatte sie gewiss schon einmal
gesehen.
Der
jüngere schwenkte sein Weinglas. „Doch ich weiß,
wovon ich spreche. De Guise hat die Stadt heute früh verlassen.“
Der
Fischer schnaubte verächtlich. „Seine Standarte weht noch
immer über dem Schloss.“
„Aber
nicht mehr lange, Aus der Schlacht, in die er jetzt zieht, wird er
nicht zurückkehren“, sagte der ältere. Diese Stimme –
sie blickte auf seine Finger. Hellere Streifen sagten ihr, dass er
gewöhnlich mehrere Ringe trug. Sie war am richtigen Ort; sie
hatte es schon lange gewusst.
Erst
als sie von einer Gruppe Handwerker leidlich gedeckt war, wagte sie
sich an den Schanktisch. „Wirt!“ Sie zog einen schmalen
Geldbeutel aus ihrem Rock. „Bring Er mir für die Tante
einen Süßwein für die Ostertage.“
Der
Wirt schoss hinter seinem Schanktisch hervor und starrte sie
überrascht an. Dann fing er sich und begrüßte sie mit
einer höfischen Verneigung, die sie als Ironie auffasste. „Sehr
wohl, Signorina. Einen Fiasco Süßwein für Ihre
Tante.“ Er wandte sich der Tür zu, die hinaus in den Flur
führte.
„Ich
nehme ihn gleich mit.“ Sie folgte ihm. „Ihr habt zu tun,
wie ich sehe.“ Mit einem Handbewegung umfasste sie die
Schankstube, lächelte mehreren der Gäste zu, deren Blick
sie kreuzte.
Der
Wirt wehrte lahm ab, wagte wohl aber angesichts der Gäste nicht,
ernsthaft Einspruch zu erheben.
Als
sie im Flur standen, zog sie geschwind die Tür hinter sich zu.
„Er
weiß, dass das Attentat in der Kathedrale gescheitert ist.“
Der
Wirt grunzte. „Ein Attentat? Auf wen?“
„Spiel
Er nicht den Dummkopf. Die Pulverfässer kamen aus Seinem Keller.
Man hat beobachtet, wie sie verladen wurden.“
Er
reckte den Kopf, sah sie frech an. „Davon weiß ich
nichts. Ich war eine Woche auf dem Land, um die neuen Weine
auszuwählen.“
„Er
wird mir aber sagen können, wer Zugang zu Seinen Fässern
hatte.“ Sie lächelte und gab sich Mühe, freundlicher
zu klingen. „Es ist in Seinem eigenen Interesse, dass kein
Verdacht auf Ihn fällt.“
„Es
spielt keine Rolle mehr, Signorina. Mit dem Dogen ist es vorbei. So
oder so.“
„Aber
noch ist er nicht geschlagen; und seine Truppen beherrschen diesen
Teil der Stadt.“
Der
Wirt nickte. „Und ich stehe mich gut mit ihnen.“ Wieder
sein freches Grinsen. „Wenngleich ich nicht weiß, wie es
Ihr gelungen ist ...“ In seinem Gesicht zeigte sich plötzlich
Verwirrung, als habe er den Faden verloren. „Falsche Brut!“
Zornig packte er sie mit beiden Händen und schüttelte sie.
„Sie will uns verraten wie Ihr
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