Königliche Republik (German Edition)
auch
nicht.“
Sie
wischte mit einem Ärmel über sein Hemd, das von ihren
Tränen nass war.
„Der
Papst hat uns das alles eingebrockt. Wenn er nicht ...“
„Dario,
willst du nicht ....“ Er wusste doch, dass er starb.
„Es
ist meine Schuld, Mirella. Einzig und allein meine Schuld. Nicht böse
sein.“
Als
sie die Augen schloss, sah sie den Moment wieder vor sich, als er im
Begriff stand, Alexandre zu töten. Sie schlug die Hände
vors Gesicht. „Was sollte ich denn tun?“
Der
Druck seiner Hand auf ihrem Knie wurde noch einmal fester, dann
öffnete er die Finger und die Hand glitt zur Seite. Er ächzte;
dann bäumte er sich auf. „Sag ihr, mein ...“
„Dario!“ Mirella wimmerte.
Alexandre
zog sie an sich.
„Was
hätte ich denn tun sollen?“, klagte sie nach einer Weile
leise.
„Du
hast seine Seele vor der ewigen Verdammnis gerettet.“
Sie
fuhr auf. „Glaubst du das? Glaubst du wirklich daran?“
Alexandre
seufzte. „Es liegt nicht in unserer Hand.“ Er strich ihr
übers Haar. „Man wird uns bald vermissen. Albert hat
gesehen, wohin ich ging.“
„Wie
gut, dass Stefania nicht in der Kirche ist.“
„Es
wird niemand fragen, wieso ihr überhaupt hier heruntergestiegen
seid.“
Sie
sah ihn flehend an, wagte aber nicht, ihre Bitte zu wiederholen. Nun,
da Dario tot war, was spielte es noch für eine Rolle? „Er
wollte dich umbringen.“
Alexandre
richtete sich auf und zog sie dabei hoch. „Komm!“ Dann
lehnte er sich plötzlich schwer gegen sie. Seine Stirn glänzte
schweißnass im Widerschein der Fackel.
Sie
erschrak. Dario hatte ihn mehrmals getroffen; auch er war schwer
verletzt. „Du musst dich versorgen lassen.“
„Später.“
Sie
schlang ihren Arm um seine Hüfte und stützte ihn, während
er taumelnd zur Treppe in die Krypta ging. Dort lehnte er sich ans
Geländer; er atmete keuchend. „Nur einen Augenblick.“
Von
oben drang der Choral des Agnus Dei zu ihnen herunter. Mirella
blickte zurück in die Kaverne; doch da war nur Dunkelheit. Sie
konnte nur ahnen, wo Dario lag.
„Ich
habe ihn umgebracht!“ Sie ächzte. „Ich habe meinen
eigenen Bruder ...“ Alexandres Hand auf ihren Lippen stoppte
sie.
„Sprich
niemals darüber. Niemand als dein Beichtvater darf es je
erfahren. Du würdest sie alle in Verzweiflung stürzen –
deine Eltern, deine Freundin ...“ Er presste seine Hand noch
fester auf ihren Mund. „Sprich diese Worte niemals, niemals
wieder aus.“
Ein
Weinkrampf schüttelte sie. Er hatte recht; sie musste diese Last
alleine tragen, auch wenn sie daran zerbräche.
Mit
dem unverletzten Arm drückte er sie an sich. „Weine, mein
Engel; weine, bis du keine Tränen mehr hast.“
Das
war aller Trost, der ihr je zuteil würde. Wenn er sie nur nie
wieder los ließe, dann würde sie alles ertragen können
... Ihr einziger Trost lag in diesem Augenblick, lag in diesem
schützenden Arm.
„Dein
Leben geht weiter.“
Sie
spannte sich aufmüpfig bei diesen Worten, aber er hielt sie
fest. „Das bist du auch ihm schuldig.“
Mirella
hob endlich den Kopf. „Glaubst du das wirklich?“
„Ich
habe es erfahren.“ Da schwang wieder die alte Bitterkeit in
seiner Stimme. Jetzt hätte sie ihn trösten mögen. Aber
sie würde wohl nie erfahren, welcher Schmerz in ihm brannte.
Freitag, 3. April 1648
Die
Sonne brannte wie an einem Hochsommertag aus einem windstillen
Himmel. Den Spaniern musste es gelungen sein, ihre Pulvervorräte
zu ergänzen, denn unablässig dröhnte der Donner ihrer
Geschütze vom Hafenbecken. Doch es war eher eine Demonstration
ihrer Macht als ein Angriff, denn die Kanonen reichten bergan kaum
weiter als über den von ihnen besetzten Teil der Stadt hinaus.
Am
Vorabend hatten die Spanier den letzten Schlupfwinkel versperrt, auf
dem die Fischer noch ihren Fang in die Stadt gebracht hatten. Nun
blieb für jegliche Lebensmittel nur noch der Landweg oder eine
gefährliche Fahrt bei Nacht. Doch die Köchinnen und die
Ehefrauen versuchten, Ostern vorzubereiten wie immer.
Rita
lief mit verbissener Miene umher und half Gina bei der Vorbereitung
des Leichenschmauses. Mehrmals wies sie die jammernde Magd zurecht,
die mehr die Hände rang als zu arbeiten. Enzo saß
unrasiert und mit rotgeränderten Augen im Esszimmer und starrte
hinaus auf die Straße.
Mirella
war im Laufe des Vormittags zu Stefania geflohen; doch sie ertrug nur
schwer deren wortlose Trauer. Und noch weniger den Stolz des Marchese
auf die Heldentat, die Dario nun zugeschrieben
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