Königliche Republik (German Edition)
Ausgehen verböte. Sie setzte sich
neben das Fenster und starrte hinaus, bis die Sonne sich gemächlich
über den Horizont in einen wolkenlosen Himmel schob.
Mirella
rief nach Gina und ließ sich beim Ankleiden helfen. Dann lief
sie zu Dario.
„Mir
ist das langsam zuwider. Kannst du Vater überreden, mich zu
Stefania rausfahren zu lassen?“
„Du
willst mich allein lassen?“
„Dann
komm mit. Stefania würde sich freuen.“
Dario
nahm ihre Hände und küsste ihre Fingerspitzen.
„Schwesterchen, ich brauche dich hier in der Stadt, verstehst
du?“
„Aber
wozu?“
Er
nahm den Arm aus der Schlinge, „Hilfst du mir, den Verband zu
wechseln?“
Mirella
knurrte; das konnte ebenso gut jemand anderes machen.
Dario
grinste über ihr zorniges Gesicht. „Das ist immer noch
erst der Anfang. Annese hat das Kommando übernommen; und er
macht Ernst.“
„Aber
er wird nichts erreichen. Der König wird einfach mehr Truppen
schicken.“
„Mag
sein – aber bis dahin ... Und Stefania hat mich noch oft genug
um sich.“
„Heißt
das, du hast um ihre Hand angehalten?“ Sie fiel ihm um den
Hals. „Warum sagst du das denn nicht? – Wann heiratet
ihr?“
„Langsam!“
Er nahm ihre Hände von den Schultern. „Nichts
dergleichen.“ Dario zog warnend die Augenbrauen hoch. „Und
sag um Himmels willen kein Wort zu ihrer Mutter; sie würden sie
sofort in die Stadt zurückholen.“
Mirella
schnappte nach Luft. „Du fährst heimlich zu ihr. Dort
gehst du hin, wenn du dich nachts aus dem Haus schleichst.“
Zu
ihrer Verwunderung sagte Dario nichts dazu. Weil er sie nicht belügen
wollte?
Als
sie zum Frühstück hinuntergingen, kam der Geschützdonner
plötzlich aus einer anderen Richtung. Das waren nicht die
Kanonen von Santa Lucia.
„Genoino
hat uns verraten! Ich habe es gewusst!“ Enzo stürmte ins
Esszimmer. „So ein Dummkopf.“
Rita
hob müde den Kopf. „Keine Politik beim Essen. Bitte.“
Enzo
ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Das hat nichts mit
Politik zu tun, meine Liebe. Das ist Krieg. Genoino hat sich mit dem
Vizekönig im Castelnuovo verschanzt.“
Dario
knirschte zornig mit den Zähnen. „Also hat er Anneses
Pöbel das Feld überlassen. Was habe ich gesagt? Genoino hat
den Spaniern einen Bärendienst erwiesen.“
„Was
bedeutet das?“, flüsterte Mirella.
Rita
funkelte sie böse an, aber Enzo ließ sich nicht beirren.
Er legte seine Hand auf Mirellas Arm. „Dass du deine Hochzeit
nicht hier, sondern in Madrid feiern wirst.“ Er zog die
Augenbrauen hoch, als missfiele ihm, was er in ihrem Gesicht las.
Aber er sagte nichts weiter zu ihr, sondern wandte sich wieder an
Rita. „Meine Liebe, fällt das für dich auch unter
Politik?“
Mirella
rührte so heftig in ihrer Tasse, dass die Milch überschwappte.
Die eklige Schokolade fiel ihr ein, die sie in Pizzofalcone getrunken
hatte. „Dann ... dann müssen meine Brautjungfern eben mit
uns nach Madrid fahren.“ Sie sah Enzo herausfordernd an.
„Felipes Palast ist gewiss großartiger als der Castelnuovo und der Palazzo Reale zusammen.“ Eine
Hochzeit in Madrid: Nein, das war undenkbar. Sie hatte sich immer im
Kreis ihrer Freundinnen gesehen.
„Und
als unser Haus.“ Dario hatte seine Mundwinkel zu einem Grinsen
verzogen, das nicht zu seinem sorgenvollen Blick passen wollte.
Gewiss bedachte er jetzt die Folgen für sich und Stefania. Er
sollte sie jetzt bloß nicht fragen, ob sie Felipe liebte.
„Unser
Haus ist das großartigste von allen“, rief sie schnell.
„Hoffen
wir, dass es das auch bleibt.“ Enzos Miene war düster, als
traue er seinen eigenen Worten nicht.
„Fürchtest
du, sie sind nicht zufrieden damit, das Warenlager abgebrannt zu
haben?“
Mirella
wurde bei Ritas Frage ganz beklommen zumute. Nun brauchte sie erst
gar nicht zu fragen, ob sie aus dem Haus durfte. „Sie zünden
doch nur die Häuser der Gabelliere an.“
„Bis
jetzt. So lange sich der Aufstand gegen die Steuern gerichtet hat.
Aber Annese will die Spanier los werden.“
Rita
stand auf und schob ihren Stuhl an den Tisch. „Ich habe keinen
Hunger mehr.“
„Aber
Mamma, Sie hat doch gar nichts ....“
Dario
stand gleichfalls auf. „Wir sind weder Gabelliere noch
Spanier. Man wird uns in Ruhe lassen, so lange Er Sein Geschäft
nicht wieder aufnimmt. Und dann ...“
„...
dann werde ich mit den Seidenwebern ein neues Abkommen treffen.“
„Das
wird nicht funktionieren, Vater.“ Er schüttelte den Kopf.
„Sie wollen das Monopol; und darauf kann
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