Königliche Republik (German Edition)
sehen, wen der Wirt
mitgebracht hatte. Die Tür zum Wirtshaus war einen Spalt breit
geöffnet und es schimmerte ein wenig Licht heraus.
Mirella
stieß die Tür so weit auf, dass sie in die Schankstube
blicken konnte. Die Hälfte der Tische war zum Essen eingedeckt,
ganz fein mit bunten Leinentüchern; erstaunlich. Und sie hatte
die Trattoria für schäbig gehalten. Aber es war niemand da,
auch nicht hinter dem Schanktisch.
Sie
schob die Tür weiter auf. Im Dunkel am Ende des Raums gab es
eine weitere Tür. Sie hätte doch aus dem Fenster schauen
sollen, bevor sie gegangen war. Dann wüsste sie jetzt, welches
Haus die Männer betreten hatten.
Leise
durchquerte sie die Schankstube und öffnete. Dahinter lag ein
dunkler Flur, von dem drei Türen abgingen. Eine führte
sicher in die Küche, die zweite mit der Glasscheibe in den Hof.
Aber rechts die dritte? Das Haus des Wirts lag auf der linken Seite
des Gebäudes. Hier vom Flur aus ging es nicht dorthin. Eine
schmale Stiege führte in einen Keller und mit einer Wendel hoch
in den oberen Stock.
Über
Mirella knarrte es; erschrocken wich sie zur Schankstube zurück.
Aber die Neugier siegte und so blieb sie an der Tür stehen.
Die
Dielen über ihr knarrten lauter; dann kamen auf der Treppe zwei
nackte Füße zum Vorschein, die in ausgefransten Hosen
steckten. Ein stämmiger Mann kam herunter. Er trug einen
dunkelblauen Rock, aus dessen Ärmel die schmutziggrauen Rüschen
eines einstmals eleganten Hemdes ragten. In seiner roten
Seidenschärpe steckte ein kurzer Säbel.
Er
lächelte freundlich. „Hat Sie sich verlaufen, Signorina?“
Fast
hätte Mirella ob der höflichen Anrede einen Knicks gemacht.
„Ich suche den Wirt.“
Der
Mann deutete hinunter. „Er wird wohl im Keller sein. Zumindest
wäre es ihm zu raten.“
„Warum?“
Der
Mann sah sie überrascht an; dann kratzte er sich hinterm Ohr.
„Weil wir etwas Besseres trinken wollen als er gewöhnlich
verkauft.“
Ein
intensiver Geruch nach Knoblauch stieg ihr in die Nase, als er dann
vor ihr stand. Er griff nach ihrem Arm. Sie zuckte zusammen; niemand
war da, der ihr helfen würde, wenn er jetzt ... Wie
leichtsinnig, ganz allein hierher zu kommen.
Er
schob sie durch die Tür in den Schankraum zurück. Dort hob
er ihr Gesicht zu sich empor und betrachtete sie. „Sie ist was
Besseres; Sie hat kluge Augen.“
Verblüfft
über diese Bemerkung ließ sie sich seine Behandlung
gefallen statt sich zu wehren.
Er
lächelte wieder. „Wenn ich eine Tochter hätte, müsste
sie aussehen wie Sie.“
„Wer
ist Er?“, brachte sie schließlich hervor.
Wieder
kratzte er sich hinterm Ohr. „Hat Ihr Bruder Sie geschickt?“
„Was
weiß Er von meinem Bruder?“
„Ein
Kind wie Sie. Was sollte Sie hier wollen, wenn niemand Sie geschickt
hat?“
War
es doch nicht der Herzog von Maddaloni gewesen, dem Darios Brief
gegolten hatte? Aber er hatte ein Schreiben mit einer Adelskrone in
seiner Kommode. Verwirrt setzte sie sich auf den nächstbesten
Stuhl. Sollte sie ihm antworten? „Ich suche den Wirt.“
„Das
sagte Sie schon. Wenn Sie nicht auf ihn warten will, muss Sie sich in
den Keller bemühen.“ Er feixte; dann ging er hinter den
Schanktisch und kam mit einer Flasche und zwei Gläsern wieder
hervor. Die Flasche stellte er auf den Schanktisch, eins der Gläser
auf den Tisch vor Mirella. Dann hielt er das andere gegen das Licht.
„Mäßig.“ Er sah sie an. „Sie darf
bestimmt noch keinen Wein trinken. Was möchte Sie?“
Mirella
schüttelte den Kopf. „Nichts, danke. Ich hatte eben eine
Schokolade.“
Sein
Lächeln wurde breiter. „Die dürfte es hier kaum
geben.“ Er schenkte sich das Glas bis zum Überlaufen voll.
Dass er sich dann mit dem Rotwein begoss, als er es in die Hand nahm,
schien ihn nicht zu bekümmern.
Aus
dem Flur kam ein rumpelndes Geräusch; der Mann setzte das Glas
ab und riss die Tür auf. Gemeinsam mit dem Wirt rollte er ein
50-Liter-Fass quer durch den Schankraum bis zum Ausgang, wo sie es
aufrecht stellten.
Der
Mann begutachtete zu ihrem Erstaunen das Fass von allen Seiten. Er
trat sogar dagegen. Und Mirella wunderte sich noch mehr: Wieso
gluckerte der Wein nicht? So schwer, wie es zu sein schien, konnte es
nicht leer sein.
Er
zog den Stopfen aus dem Fass. Dann nahm er eine Kerze von einem der
Tische und zündete sie an.
„Wahnsinnig?“
Blitzschnell packte der Wirt zu und schlug ihm die Kerze aus der
Hand.
Mirella
begann, sich über den Mann zu amüsieren. „Vielleicht
sollte Er
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