Königliche Republik (German Edition)
Er sich nicht
einlassen. Er verdiente nicht genug mit den übrigen Stoffen.“
„Aber
wozu brauchen wir denn so viel Geld? Wir haben doch alles!“
Dario
strich Mirella über die Haare. „Für deine Hochzeit
zum Beispiel, Schwesterchen. Und eines Tages ...“ Er richtete
den Blick ins Weite, als blicke er in die Zukunft.
„Dario
wird eines Tages eine eigene Familie mit dem Geschäft ernähren
müssen.“
„Wird
er nicht!“ Mirella schlug sich die Hand vor den Mund, als Dario
sie urplötzlich an den Haaren zog. „Ich meine, er kann
doch auch etwas anderes machen.“
„Was
denn? Fischen gehen? – Ja, wenn er sich nicht geweigert hätte
zu studieren.“
„Ich
bin ein guter Buchhalter; das war Ihm immer genug.“
„Das
war mir nie genug für dich, mein Sohn.“ Enzo lächelte
plötzlich. „Ich habe dir immer mehr gewünscht als ein
Leben lang Tag für Tag über staubigen Büchern zu
sitzen.“
Mirella
starrte Enzo atemlos an. Hatte er einen geheimen Traum, den er
aufgegeben hatte? Den er an Dario weitergeben wollte?
„Buchhalter!“
Rita setzte sich wieder hin. „Wenn nicht bald Geld ins Haus
kommt, wird es knapp. Es wird immer teurer auf dem Markt.“ Sie
deutete auf den Speck. „Manche Händler versteigern ihre
Waren bereits.“
Enzo
nickte. „Ich weiß. – Da siehst du, Kind, wozu man
Geld braucht.“
„Heute
früh hat Gina keinen Fisch kaufen können. Die Fangflotte
ist von Giannettino Doria beschossen worden.“
„Es
wird noch schlimmer werden.“ Enzo griff nach seiner Tasse,
stellte sie aber gleich wieder ab. „Dario hat recht. Meine
Liebe, du musst mit dem auskommen, was wir haben.“
Am
nächsten Tag beendete Mirella gerade ihre Cembaloübungen,
als es merkwürdig still geworden war: Es wurde nicht mehr
geschossen.
Sie
ging ans Fenster. Unterhalb des Monte Echia loderte ein Feuer; in der
Nähe von San Elmo qualmte es; aber sonst wirkte alles friedlich.
Die Pinien, über denen der Kegel des Vesuvs aufragte, sahen aus
wie immer. Vom oberen Stock aus mochte sie mehr sehen. Sie lief
hinaus.
Auf
der Treppe begegnete ihr Gina.
„Warst
du auf dem Markt? Hörst du, wie still es ist? Was bedeutet das?“
Gina
seufzte. „Es hat wieder keinen Fisch gegeben. Und um das
Fleisch haben sich die Köchinnen des Marchese d’Oliveto
und des Conte di Sarno geprügelt.“
„Warum
schießen sie nicht mehr?“
„Die
Spanier wollen verhandeln.“
Mirella
ließ sich aufatmend auf die Stufen fallen. „Gott sei
Dank. Dann hat das alles endlich ein Ende.“
Gina
grunzte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Doktores in
dreiundfünfzig Stunden neue Kapitel schreiben können, die
alle zufrieden stellen.“
„Das
ist mir egal!“ Wenn nur Dario seine gefährlichen
Unternehmungen beendete. Und seine nächtlichen Ausflüge
aufs Land. Sie konnte nicht verstehen, dass er ständig so viel
wagte, nur um Stefania zu sehen. Überhaupt ...
„Meinst
du, Stefania kommt dann wieder in die Stadt zurück?“
„Das
wäre zu wünschen.“ Ginas Miene besagte, dass sie
Darios Ausflüge gleichfalls bemerkt hatte. Sie nahm ihren Korb
wieder auf und ging in die Küche.
Mirella
lief ihr hinterher. „Ich helfe dir.“ Bestimmt würde
Gina ihr dann noch mehr erzählen.
Während
sie auspackten, klangen die erregten Stimmen von Dario und Enzo über
den Hof.
„Aber
Vater, Er braucht mich doch jetzt nicht.“
„Wir
müssen die Feuerpause nutzen.“
„In
den zwei Tagen wird Er nicht einmal in der Lage sein, Bauholz liefern
zu lassen. Wo soll es denn herkommen? Die Straßen nach Nocera
und Aversa sind noch immer gesperrt.“
„Du
musst es ja wissen.“
Hufe
klapperten auf den Steinplatten; Darios Pferd schnaubte.
Mirella
lief hinaus. „Dario!“
Enzo
verfolgte mit sorgenvollem Gesicht, wie Dario die Satteltaschen
packte und die Steigbügel um ein Loch verlängerte.
Sie
ging zu Enzo und hängte sich an seinen Arm. „Wo will er
hin, Vater?“
„Er
nutzt den Waffenstillstand auf seine Weise.“
Mirella
holte tief Luft, um nicht herauszuplatzen. Keiner sagte ihr etwas.
Dario
stieg auf und winkte. „Ich bin bald wieder da.“
Doch
er kam auch nicht zurück, nachdem der Waffenstillstand
abgelaufen war und der Vizekönig die neuen Kapitel
unterschrieben hatte. Niemand wusste, was er tat.
Montag, 30. September 1647
Mirella
und Rita saßen im Hof und bestickten Tischdecken und Servietten
für Mirellas Aussteuer.
Als
sie einen neuen Faden brauchte, hielt Rita inne und sah Mirella zu,
bis diese
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