Königliche Republik (German Edition)
in den Palazzo
vorgedrungen, dass Gina so respektlos war?
Nachdem
Mirella den zweiten Strumpf angezogen hatte, trocknete Gina sich ihre
Hände ab, schnürte mit viel Gebrumme und Gemurre Mirella
das Mieder und schloss die Haken am Kleid.
Mirella
hob den Rock an und drehte sich vor dem Spiegel. „Jetzt wird es
bald wieder Bälle geben.“ Sie ließ sich aufs Bett
zurückfallen. „Das war das Ärgste!“
Gina
murrte wieder. „Das Ärgste ist, dass es kaum noch Fleisch
gibt. Und die Spanier werden sich von den paar Mann nicht
beeindrucken lassen.“
Mirella
stellte sich vor den Spiegel und blies die Backen auf. „Ja,
vernünftig essen stünde mir auch gut zu Gesicht.“
Enzo
öffnete die Tür und schaute zu ihr herein. „Warum
bist du noch nicht fertig! Es wird voll werden. Alle wollen dabei
sein, wenn wieder ein Anjou den Schutz unserer Stadt übernimmt.“
Mirella
sprang die Treppe hinunter. Sie nahm den schwarzen Wollumhang aus dem
Flurschrank und zog sich die Kapuze übers Haar. Dann lief sie
nach draußen zu Dario.
Karossen
und Fuhrwerke zuckelten in einer langen Reihe die Straße
entlang und stauten sich an der Kreuzung zum Hafen. Die Menschen, die
an ihr vorbeieilten, hatten ein Lachen im Gesicht. Fabrizio stand
neben dem Schlag und pfiff ein Spottlied auf die Spanier.
Varese
trat gegenüber aus der Tür, begleitet von seinen beiden
Töchtern. „Guten Morgen, Enzo! Hat Er gesehen?“ Er
deutete mit seinem Spazierstock zum Himmel. „Die Sonne drängt
sich durch den Nebel. Wenn das kein gutes Omen ist.“
Dario
knurrte. „Vor allem wird es bedeuten, dass die Spanier wieder
sehen können, wohin sie schießen.“ Wieso teilte er
die allgemeine Freude nicht?
Es
brauchte eine halbe Stunde, bis sie in dem dichten Verkehr zur
Kathedrale gelangten. Das letzte Stück des Wegs gingen sie zu
Fuß zu einem der Seiteneingänge, der nahe ihrer
Kirchenbank lag.
Die
Menschen unterhielten sich quer durch das Kirchenschiff, als seien
sie auf dem Marktplatz. Im hinteren Teil standen sie dicht gedrängt;
auf den Bänken saßen sie zusammengequetscht wie Thunfische
in einer zu vollen Kiste. Die kleineren Kinder quengelten auf den
Schößen ihrer Eltern. Dies würde keine geordnete,
feierliche Messe werden.
Sie
zwängten sich durch die Besucher, die im Seitenschiff standen.
Die Oliveto saßen schon in ihrer Bank. Die Marchesa hatte ein
weißes Spitzentuch zwischen den Fingern und betupfte sich die
Augen. Weinte sie etwa?
Stefanie
drehte sich um, als Mirella sich hinter ihr hinkniete, und zwinkerte
ihr zu.
Mirella
faltete ihre Hände dicht vor dem Gesicht und flüsterte.
„Hast du sie schon gesehen?“
„Nein.“
Stefania grinste. „Suchst du immer noch einen Bräutigam
für mich?“
Sie
glucksten vor Vergnügen, bis die Marchesa Stefania mit ihrem
Fächer auf den Arm schlug.
Mirella
setzte sich hin. Nicht einmal zur Ostermesse hatte sie die Kirche
jemals so voll gesehen. Sogar einige der spanischen Familien waren
gekommen; dabei war nicht einmal Sonntag. Don Rodrigo saß auf
seinem angestammten Platz. Also war er ein viel noblerer Verlierer
als Dario ihm zugetraut hatte. Ihr künftiger angeheirateter
Onkel; sie nickte ihm zu, als sich ihre Blicke trafen. Er erwiderte
den Gruß mit einer Kopfbewegung, doch auf diese Entfernung
konnte sie im Halbdunkel der Kirche seinen Gesichtsausdruck nicht
deuten.
Dann
flutete Tageslicht durch das Hauptportal. Mirella richtete sich halb
auf, sodass sie an Enzo vorbei bis zum Eingang sah.
Jeweils
zwei Männer von Pastinas Miliz stellten sich rechts und links
der Kirchentüren auf. Einer mit gezogenem Schwert, der andere
mit einer Standarte: Zwei aufrecht stehende Löwen, ein
Wappenschild in den Pfoten, zierten das Banner des Herzogs. Diese
Löwen waren der einzige Unterschied zur Fahne Neapels, die das
Kreuz des Königs von Jerusalem und einen Turnierkragen mit drei
Brückenpfeilern trug. Und die goldenen Lilien des Hauses Anjou,
auf dessen Nachfahren die Neapolitaner nun all ihre Hoffnungen
setzten.
Kardinal
Filomarino trat aus der Sakristei, begleitet von zwei Messdienern,
die Kreuz und Weihrauch trugen. Sie gingen an den nun leiser
tuschelnden Menschen vorbei zum Portal.
Mirella
reckte sich noch höher.
Da
stand Enzo mit einem Lächeln auf. „Setz dich an den Rand,
Naseweis.“
Von
draußen erklangen Rufe der Begeisterung; die ersten in der
Kirche schlossen sich an. Filomarino brachte sie mit einer
Handbewegung zum Schweigen. Dies war das Haus Gottes.
Henri,
Duc
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