Königliche Republik (German Edition)
...“
„Der
Marchese wird schweigen. Stefania würde es ihnen niemals
vergeben, würden sie Dario ausliefern.“
Mirella
begann zu schluchzen. Sie hätte Dario nicht nachgeben dürfen.
Vielleicht hätte er sich besonnen, wenn sie ihm nicht geholfen
hätte. „Wir müssen etwas tun.“
Enzo
sah sie streng an.
Sie
wischte sich die Tränen ab. „Ich ...“
Enzo
lächelte mitfühlend. „Nein, Kind, du hättest es
nicht verhindern können. Er ist für sich selbst
verantwortlich.“
„Ich
verstehe es aber nicht.“ Mirella schluchzte weiter. „Pastina
ist Darios Mittelsmann gewesen; und jetzt ist er Anneses General. Wie
kann Dario dann in Gefahr sein?“
„Weil
Pastina kein Ehrenmann ist, obwohl er ein Brigant ist.“ Enzos
Gesicht drückte seine ganze Verachtung aus. „Pastina ist
einer, der seine Fahne in den Wind hängt. Du wirst sehen, wie
schnell er sich aus dem Staub macht, wenn es nicht mehr glatt läuft.“
„Aber
trotzdem ...“
„Sie
haben den Prinzen von Massa gehängt; sie werden auch den
nächsten hängen, den sie des Verrats verdächtigen.
Ohne Prozess. Das ist keine Republik; das ist Anarchie. Ihr hättet
dabei sein sollen heute Nacht.“ Er dämpfte seine Stimme.
„Stefania soll Dario zur Vernunft bringen. Annese setzt auf die
Hilfe der Franzosen; dagegen kommen die Barone nicht an.“
Dario
kam erst zwei Wochen später zurück, nachdem sie wieder nach
Neapel zurückgekehrt waren. Er war einfach wieder da, sagte
weder Mirella noch Enzo, was er in der Zwischenzeit getan hatte. Und
auch Stefania schien dieses Mal nichts zu wissen.
Enzo
war es ausnahmsweise zufrieden. „Je weniger wir wissen, umso
weniger Schwierigkeiten haben wir.“
Samstag, 16. November 1647
Mirella
erwachte frierend. Das Feuer im Kamin war zu einem glimmenden
Aschehaufen zusammengesunken; sie kroch tiefer unter ihr schweres
Plumeau und rollte sich zusammen.
Von
draußen kam die trällernde Stimme eines jungen Mannes; was
fiel ihm ein so früh am Morgen?
Die
Franzosen waren gekommen! Mirella sprang mit einem Satz aus dem Bett.
Der Junge da draußen hatte guten Grund zu singen.
Sie
riss die Tür auf. „Gina, hilf mir beim Anziehen!“
Die
Treppe knarrte, während Mirella ein Kleid nach dem anderen aus
dem Schrank nahm und aufs Bett warf. Mit einem dunkelgrünen
Baumwollkleid stellte sie sich vor den Spiegel. „Nein.“
Sie hielt sich das rote Samtkleid mit dem schwarzen Pelzbesatz an den
Ärmeln an. „Das ist gut!“
Gina
trat mit dem dampfenden Wasserkrug ein und musterte sie mit
missbilligend gekrauster Stirn. „Willst du damit in die Kirche
gehen? In einem Kleid, rot wie die Sünde?“
Mirella
drehte sich lachend um. „Aber es ist kalt. Ich werde meinen
Umhang darüber tragen.“
„Und
warum willst dich so fein machen, wenn es doch niemand sieht?“
„Wer
weiß!“ Sie zog sich das Batisthemd über den Kopf.
„Bestimmt werden die französischen Demoisellen zum
Gottesdienst erscheinen. Sollen wir ihnen nicht zeigen, dass eine
Neapolitanerin ihnen in nichts nachsteht?“
„Für
deine Hoffart wirst du in die Hölle kommen.“
„Dort
ist es wenigstens warm.“
Gina
goss das Wasser in die Waschschüssel. Eine Dampfwolke beschlug
den Spiegel und das Fenster, während Mirella sich zu waschen
begann. Sie fuhr mit der Hand über den Spiegel, aber er war
gleich wieder blind.
„Es
gibt keine französischen Demoisellen. Der Herzog ist zum Krieg
gekommen, nicht zum Ball.“
„Zum
Kriegführen?“ Empört fuhr Mirella herum. Während
sie sich umwandte, fegte sie mit dem Ellenbogen die Schüssel zu
Boden. Unbeeindruckt blitzte sie Gina an. „Wir haben ihn
gerufen, damit endlich Frieden herrscht. Man kann sich ja gar nicht
mehr auf die Straße trauen.“
„Ach
Kind!“
„Ich
bin kein Kind mehr!“ Mirella langte nach einem Handtuch.
Gina
legte die Scherben auf die Kommode und nahm ein zweites Handtuch.
„Lass mich das machen.“
„Ich
bin kein Kind mehr! Wisch auf!“
Kaum
war die Magd draußen, legte Mirella das Handtuch fort,
schlüpfte in die Unterkleider und streifte vorsichtig das rote
Kleid über den Kopf. Wenn sie es erst anhatte, würde Gina
sich geschlagen geben.
Als
Gina mit dem Wischlappen zurückkam, saß Mirella auf dem
Bett und rollte den ersten Seidenstrumpf auf.
„Das
ist kein Wetter für Seidenstrümpfe.“ Gina ging auf
die Knie und nahm das vergossene Wasser auf, dass noch nicht zwischen
die Dielen gesickert war.
Mirella
seufzte. War die Anarchie jetzt schon bis zu ihnen
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