Königliche Republik (German Edition)
lass
dich tagsüber begleiten.“
Sie
hob den Kopf, um aufzugehren, aber Enzos Gesichtsausdruck verhieß
wenig Gutes. Sie senkte ihn wieder. „Wie Er wünscht,
Vater.“
***
De
Guise residierte noch immer im Palazzo Reale . Zwei Monate war
sie nicht mehr da gewesen. Das erste, was ihr befremdlich vorkam, war
die Begleitung durch eine der Wachen. Noch befremdlicher beinahe war,
dass der Soldat stehen blieb und nachzudenken schien, welchen Weg er
zu nehmen hatte. Mirella kannte sich besser aus als er, aber sie
mochte es ihm nicht sagen.
Er
führte sie in den Trakt, in dem de Guise die Verwaltung der
Republik untergebracht hatte. Mehrere Salons, Bibliotheken und die
Stuben der Schreiber und Ratgeber.
In
einer der Schreibstuben empfing Albert sie geradezu enthusiastisch.
„Mirella, ich weiß sehr wohl, warum Ihr Euch fern
gehalten habt. Aber es war ganz unnötig. Niemand bringt Euch mit
der Anklage gegen Euren Bruder in Verbindung. Und ich – ich
glaube nicht einmal daran, dass sie begründet ist.“
„Das
freut mich, Albert.“ Sie setzte sich in den Sessel am Kamin.
Als sie ins Feuer blickte, sah sie Alexandres Gesicht vor sich an
jenem Nachmittag, als Enzo den Handel mit dem Dogen zum Abschluss
brachte. Es war alles anders gekommen als sie sich vorgestellt
hatten. „Aber was macht Euch so sicher?“
„Ich
wage kein Urteil über die Moral Eures Bruders; dazu kenne ich
ihn doch nicht gut genug. Aber ich habe sehr wohl eine Meinung über
Annese. Was von ihm kommt, ist von Übel.“ Er dachte also
wie Alexandre. Aber wenn die Franzosen Annese nicht mehr trauten,
warum ließen sie ihn dann weiter gewähren? Politik –
sie würde es nie begreifen.
„Also?“
Er setzte sich ihr gegenüber. „Helfen kann ich Euch
allerdings nicht.“
„Deswegen
bin ich auch nicht gekommen. Sondern ...“ Es war schäbig,
aber es gab nicht nur schlechte Gründe. „Alle Welt spricht
davon, dass der Comte de Modène nun ebenfalls unter Anklage
steht. Gewiss ist er noch weniger des Verrats schuldig als Dario.“
Albert
sah sie einen Moment lang an; dann stand er auf und ging ans Fenster,
schien angestrengt hinauszustarren.
„Dürft
Ihr mit mir nicht darüber sprechen?“
„Es
ist noch viel schlimmer.“ Seine Stimme sank zu einem Flüstern.
„De Guise – er scheint Freund und Feind nicht mehr
unterscheiden zu können.“
„Das
denke ich mir. Sonst hätte er nicht seinen eigenen Heermeister
festnehmen lassen.“
„Nicht
nur ihn. Auch Alexandre.“
„Was?“
Mirella starrte Alberts Rücken an. Er drehte sich um, aber er
sagte nichts.
„Wer
... wer hat ihn verhaftet?“ Ihre Stimme gehorchte ihr kaum.
Hatte man Alexandre in einem Verlies voller Ratten angekettet wie
Dario? Was taten sie ihm an? „Annese?“
Alberts
Blick verfinsterte sich. „Ich. Auf de Guises Befehl.“
„Alexandre
ist Euer Freund!“
„Er
ist auch de Guises Mündel. Aber er hat es gewagt, des Herzogs
Weisheit in Zweifel zu ziehen.“ Mit einem langen Seufzer setzte
er sich wieder zu ihr. „Sorgt Euch nicht. Er wird schon nicht
ernstlich zu Schaden kommen.“ Ein feines Lächeln zeichnete
sich in seinen Mundwinkeln ab. „Ich weiß wohl, was Ihr
für ihn empfindet.“
Mirella
begann das Gesicht zu brennen. „Ich bin verlobt.“
Albert
lachte auf; aber es klang unfroh. „Euer Herz weiß nichts
davon. Und Alexandre wohl auch nicht. Dennoch ...“ Er hörte
auf zu lachen und wandte sich wieder ab.
„Kann
ich etwas tun?“
„Ich
weiß nicht.“
„Dario
... Er könnte den Comte de Modène entlasten.“ Sie
wollte es glauben; darum war sie hergekommen. Vielleicht würde
das auch Alexandre helfen.
„Womit?“
„Ich
weiß nicht.“ So sehr sie es hasste, sich ahnungslos zu
geben; Dario musste seine Lüge schon selber erzählen.
Sie
starrte Albert lange an. Als sich ihre Blicke trafen, war die alte
Vertrautheit wieder da. Unvermittelt brachen beide dann in Gelächter
aus. „Wie mein Bruder.“ Der Schatten in seinen Augen
sagte ihr, dass er es anders lieber hätte. Aber es war ein
Vertrauen zwischen ihnen entstanden, dass sie sich tatsächlich
aufgehoben fühlte wie bei Dario. Wie bei dem Dario von früher.
„Er ist überzeugt, dass er etwas sagen kann. Es gehen so
viele Leute ein und aus im Kontor.“ Am liebsten hätte sie
ihm verraten, dass Dario sich von zu Hause entfernte.
Albert
stand schon wieder auf und lief auf und ab. „Ihr macht Euch
ernsthaft Sorgen!“
Mirella
schloss die Augen. Unvermutet packte Albert sie an der
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