Königliche Republik (German Edition)
ist glaubwürdig, wenn du darauf
verweist, dass er um jeden Preis ein Ende der Kämpfe will.“
„Das
kannst du Stefania nicht antun.“
Dario
kräuselte spöttisch die Lippen. „Sie liebt mich; hast
du das vergessen?“
„Und
dafür ist sie bereit, ihren Vater ans Messer zu liefern?“
„Wahre
Liebe ... Überdies bin ich überzeugt, dass er es verstehen
wird, wenn der Krieg zu Ende ist.“
Mirella
starrte wie vor den Kopf geschlagen minutenlang die Tür an,
nachdem Dario gegangen war. Konnte sie ihm eigentlich noch trauen?
Sie
musste Stefania fragen.
***
Mirella
schlief miserabel in dieser Nacht. Sie redete sich ein, dass der
Sturm sie wach hielt, der den Regen gegen ihr Fenster peitschte.
Irgendwann hörte sie die Treppe knarren. Es war noch
stockdunkel, als sie entschied aufzustehen.
Sie
zog zwei Unterkleider aus dem Schrank, dann wühlte sie nach
ihren Strümpfen, dann nach einem Mieder. Aber das legte sie
wieder beiseite; ohne Gina bekäme sie es nicht fest genug
geschnürt, um ein Kleid darüber zu ziehen. Sie nahm eine
Bluse und zog sie an; dann den dunkelgrünen Rock, der sich mit
Bändern verschließen ließ. Mit den Schnürstiefeln
in der Hand ging sie hinunter.
Gina
kniete im Schlafrock in der Küche und schichtete Holz in den
Herd. Sie fuhr erschrocken hoch. „Was machst du hier?“
„Sag
Mamma, dass ich zum Frühstück wieder zurück bin.“
Es
regnete noch immer. Sie sattelte den Schecken, der Dario zuweilen als
Reittier diente. Aus dem Schober über dem Stall kam ein Fluch;
vermutlich hatte sie Cesare geweckt. Der Schecke schnaubte unwillig,
als sie aufsaß, und als sie sich vorbeugte, um das Hoftor zu
öffnen, flog ihr seine Mähne feucht ins Gesicht.
Sie
verstieß gegen die Ausgangssperre, aber einer Frau würde
niemand etwas tun. Dennoch schrak sie bei jedem Geräusch
zusammen; der Hufschlag des Schecken dröhnte viel zu laut auf
dem Pflaster. Sie bog in eine Gasse ab, die einen Randstreifen aus
Kies hatte. Doch es war nicht weniger laut: Die eng beieinander
stehenden Häuser warfen den Schall zurück.
Mirella
ließ den Schecken in Schritt fallen und immer wieder anhalten,
um zu lauschen, ob es das Geräusch anderer Reiter gäbe.
Früher waren um diese Tageszeit die Fischer hinunter zum Hafen
gegangen, aber nun hüllte sich das Viertel in Schweigen. Wer
sein Boot nicht in einer der kleinen Buchten außerhalb von
Neapel versteckt hatte, konnte nicht fischen gehen.
Der
Regen wurde dünner, aber die Kälte der Nacht kroch durch
den nassen Umhang hindurch. Sie widerstand dem Impuls, ihn sich von
den Schultern zu ziehen; ritt stattdessen wieder schneller. Nun da
sie das Ende des Stadtzentrums erreicht hatte, fühlte sie sich
sicherer.
Der
erste Hahn krähte probehalber, als das Stadthaus der Oliveto
auftauchte. Mirella parierte den Schecken vor der Hofeinfahrt. Das
Tor war verschlossen und noch nirgendwo im Haus brannte ein Licht.
Sie musste das Pferd draußen anbinden und den Weg nehmen, den
sie in ihrer Schulzeit benutzt hatte, wenn Stefania wieder einmal
unter Hausarrest gestanden hatte.
Mirella
grinste bei der Erinnerung in sich hinein, als sie ihre Röcke
raffte und in der Taille zusammenknotete. Den Umhang ließ sie
beim Pferd; er würde so schnell auch nicht in Stefanias Zimmer
trocknen, dagegen aber eine hässliche Pfütze hinterlassen.
Sie kletterte die Streben am Tor hoch und schwang sich auf die andere
Seite. Von dort sprang sie hinunter in den Hof und lief um die
Hausecke zu dem Rosenspalier, das bis zu Stefanias Fenster reichte.
Langsam
kletterte sie hoch. Das Spalier knirschte bedenklich; sie war nicht
mehr so leicht wie in der Kinderzeit. Aber es hatte selbst Dario
immer ausgehalten. Ob Stefania bei solcher Gelegenheit zu dem Kind in
ihrem Bauch gekommen war?
Das
Fenster war trotz des schlechten Wetters nur angelehnt, und so konnte
sie geräuschlos einsteigen. Bei der Vorstellung, das offene
Fenster könnte Dario gegolten haben, gluckste Mirella leise. In
dem Fall würde Stefania sich gleich gewaltig wundern.
Mirella
zog ihre Handschuhe, die Schuhe und die nassen Strümpfe aus und
tappte durch den dunklen Raum zu der Ecke, in der Stefanias Bett
stand. Ihre Augen gewöhnten sich derweilen an die Dunkelheit,
sodass sie in etwa erraten konnte, unter welchem Teil des Gebirges
auf dem Bett sich welcher Teil von Stefanias Körper befand.
Sie
setzte sich und suchte nach dem Kopf. Sie fand Stefanias
Lockenschopf, legte ihre ganze Hand darauf und rüttelte Stefania
ein
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