Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
persönlich liebe Dampf und habe gelernt, unter brutalem und widernatürlichem Druck zu überleben. Ich bin ein Volldampffreak. Hollywood ist für mich wie Hühnerfutter. Ich kann’s mir gönnen, oder ich kann’s lassen. Ich bin schon oft hier gewesen. An manchen Tagen kommt es mir so vor, als hätte ich mein halbes Leben im Château Marmont verbracht. Dort ist überall Blut an den Wänden, und einiges davon stammt von mir. Gestern Abend habe ich mir zwei Fingerkuppen abrasiert und im Fahrstuhl so heftig geblutet, dass man ihn stilllegen musste.
Aber niemand hat sich beklagt. Ich bin im Château nicht nur gelitten, sondern besonders wohl gelitten. Ich lasse wichtige Leute nach Lust und Laune aus dem Haus werfen oder auf die schwarze Liste setzen. Zum Beispiel bekommt keiner aus der Schwarzenegger-Organisation auch nur einen Drink im Château. Diese Leute sind samt und sonders »unerwünscht«. Wer geschäftlich mit Hollywood zu tun hat, wird unweigerlich mit einer unsäglichen Unsitte konfrontiert: Ohne einen persönlichen Stab von fünf oder sechs Leuten – und zumindest einem persönlichen Astrologen – geht gar nichts.
Ich habe Astrologen schon immer gehasst, und allzu gerne treibe ich meinen Spott mit ihnen. Durch die Bank sind sie harmlose Scharlatane, aber manche von ihnen packt der Ehrgeiz, und sie werden raubgierig, besonders in Hollywood. In Venice Beach
stieß ich auf einen Mann, der behauptete, Johnny Depps Astrologe zu sein. »Ich berate mich ständig mit ihm«, sagte er. »Wir sind nie weit voneinander entfernt. Ich habe viele berühmte Kunden.« Er holte eine gelbe Visitenkarte hervor und reichte sie mir. »Auch für Sie kann ich etwas tun«, sagte er. »Ich bin im Spiel.«
Ich nahm seine Karte und betrachtete sie eingehend, als könne ich das Kleingedruckte nicht so leicht lesen. Aber ich wusste, dass er log, und daher beugte ich mich vor und versetzte ihm kurz und schnell einen Schlag auf die Eier. Nicht hart, aber abrupt, wobei ich den Handrücken und die Finger – wenn auch diskret – wie einen Ochsenziemer einsetzte.
Er gab einen Pfeifton von sich und fiel schlaff in sich zusammen, unfähig, zu sprechen oder zu atmen. Ich lächelte unschuldig und redete weiter mit ihm, als sei nichts geschehen. »Du mieser kleiner Schleimer«, sagte ich zu ihm. »Ich bin Johnny Depp!«
Dann sah ich, dass draußen auf dem Boulevard eine halb nackte junge Frau auf Rollerblades von zwei Hunden malträtiert wurde. Die deutschen Doggen liefen anscheinend frei umher. Beide hatten ihre Vorderpfoten auf die Schultern der Frau gelegt, und die graue hatte ihren Kopf im Maul. Aber es war kein Laut zu hören, und niemand schien zu bemerken, was da passierte.
Ich schnappte mir eine Gabel vom Tresen und rannte hinaus, um ihr zur Hilfe zu kommen. Auf dem Weg hinaus versetzte ich dem verlogenen Astrologen noch mal einen Schlag auf die Eier. Als ich die Straße erreichte, traktierten die Hunde immer noch die junge Frau. Ich stieß der größeren Dogge die Gabel zwischen die Rippen, bis sie tief ins Fleisch drang. Das Vieh jaulte wie verrückt, klemmte den Schwanz zwischen die Beine und rannte davon. Die andere Dogge ließ den Kopf der Frau los, fletschte die Zähne und knurrte mich an. Ich stieß mit der Gabel nach ihr, und das reichte dem Köter. Er wich zurück und trollte sich dann in Richtung Muscle Beach.
Ich nahm die junge Frau mit hinein in den Buffalo Club und behandelte ihre Wunden mit Aloe. Der Astrologe war weg, und wir hatten die ganze Lounge für uns. Ihr Name sei Anita, sagte sie, und sie sei gerade erst in L. A. angekommen, um Arbeit als Tänzerin zu finden. Zum dritten Mal in zehn Tagen war sie von frei umherlaufenden Hunden auf der Promenade von Venice angegriffen worden, und sie war so weit, L. A. den Rücken zu kehren – wie ich auch. Der Rhythmus der Stadt machte mir langsam zu schaffen. Ich hatte keine Langeweile und auch noch immer Arbeit zu erledigen, aber die Zeit, die Stadt zu verlassen, war definitiv gekommen. Drei Tage später musste ich in Big Sur sein und dann zu einem Medizinerkongress in Pebble Beach weiterfahren. Sie war ein sehr hübsches Mädchen mit eleganten Beinen und hintergründig schalkhafter Intelligenz, aber sie war auch schrecklich naiv, was Hollywood betraf. Ich erkannte gleich, dass sie mir auf der Reise nach Norden äußerst hilfreich sein könnte.
Ich hörte ihr eine Weile zu und bot ihr dann einen Job als Assistentin an. Die brauchte ich nämlich dringend. Sie
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