Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
Trainingsanzug trug, hatte sich hinter einem Schornstein vor den Wachen versteckt. Er packte eine der Landekufen des Choppers und kletterte an Bord. Der bewaffnete Mann sprang hinter ihm hinein, und der Hubschrauber brachte sie im Handumdrehen zu einem Fußballfeld in der Nähe, von wo aus dann alle drei verschwanden … Nadine Vaujour, die Ehefrau des Räubers, hatte viele Monate lang Flugstunden genommen, wie die französischen Behörden später herausfanden.
Sogar ein ignoranter Schwachkopf würde eine solche Geschichte lieben. Sie besitzt die Unschuld eines Märchens, aber auch eine Kraft, die daraus entspringt, dass sie ganz einfach wahr ist, und sie appelliert an unsere höheren Instinkte. Es war ein perfektes Verbrechen, aus Liebe begangen, und es wurde mit eindrucksvoller Präzision und der wahrhaft wahnsinnigen Furchtlosigkeit einer schönen Frau in einem weißen Hubschrauber ausgeführt.
Es steckt natürlich noch mehr hinter der Geschichte. Jene perfekte Flucht fand im vergangenen Mai statt, und die Flitterwochen dauerten den ganzen Sommer. Aber im Herbst ging Michel wieder ans Werk, und Ende September lautete eine Meldung der New York Times aus Paris, er sei »schwer verwundet nach einer Schießerei während eines versuchten Bankraubs« wieder gefasst worden. Er hatte einen Kopfschuss erlitten und lag im Pitié-Salpêtrière Hospital im Koma.
»Nach offiziellen Informationen wurde die Ehefrau von Monsieur Vaujour, die für die Organisation der Flucht im Mai verantwortlich war, am Samstagmorgen in einem Versteck im Südwesten Frankreichs verhaftet.«
Als ich das las, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Alle wahren Liebesgeschichten enden schlecht, und ich wollte gerade die Aktendeckel auch über dieser schließen …
»Madame Vaujour war bei der Polizei bereits wohlbekannt«, hieß es in einem früheren Artikel der Times . »Sie und Monsieur
Vaujour heirateten 1979, als er in einem anderen Gefängnis eine frühere Strafe absaß. (Er wurde häufig verlegt, um einen Ausbruch zu verhindern.) Sie hatten eine gemeinsame Tochter, die im September 1981 im Gefängnis geboren wurde, als Madame Vaujour sich in Vorbeugehaft befand.«
Mit Juan auf der Owl Farm, 1997 (Deborah Fuller)
Ich war überwältigt von der beinahe tragischen Kraft und Reinheit der Liebe, welche die Vaujours einander entgegenbrachten und die ihr Leben wie ein roter Faden durchzog. Mehr als alles andere waren sie Liebende, und durch ihre einzigartige Gefühlstiefe und Intensität erwiesen sie diesem Wort alle Ehre.
He, Rube, ich liebe dich
Es ist Sonntagmorgen, und ich schreibe einen Liebesbrief. Draußen vor meinem Küchenfenster strahlt der Himmel, und Planeten prallen aufeinander. Mein Kopf ist heiß, und ich fühle mich ein bisschen nervös. Mein Gehirn verhält sich zunehmend wie ein V8-Motor mit überkreuzten Zündkabeln. Nichts ist mehr, wie es scheint. In meinen Telefonleitungen spukt es, und aus ihren Verstecken raunen mir Tiere zu.
Gestern Abend wollte mich eine riesige schwarze Katze im Swimmingpool anspringen, verschwand aber ganz plötzlich. Ich schwamm noch eine Bahn und bemerkte drei Männer in grünen Trenchcoats, die hinter einer weit entfernten Tür standen und mich beobachteten. Uups, dachte ich, etwas höchst Seltsames spielt sich hier ab. Also knapp unter der Wasseroberfläche bis zur Beckenmitte schwimmen. Immer vom Rand fern halten. Bloß nicht von hinten erwürgen lassen. Ständig auf der Hut sein. Das Werk des Teufels offenbart sich in seinem ganzen Ausmaß immer erst nach Mitternacht.
Genau in dieser Situation begann ich, über meinen Liebesbrief nachzudenken. Die Dachfenster über dem Pool waren beschlagen, sonderbare Pflanzen bewegten sich in der undurchdringlichen Finsternis. Es war unmöglich, von einem Ende des Pools zum anderen zu sehen.
Ich versuchte, mich nicht mehr zu regen, damit das Wasser sich beruhigen konnte. Für einen Moment meinte ich gehört zu haben, dass eine weitere Person in den Pool gestiegen war, aber mit Sicherheit konnte ich es nicht sagen. Ein Angstschauder ließ mich tiefer ins Wasser sinken und eine Karatehaltung annehmen. Es gibt nur zwei oder drei Dinge auf der Welt, die Furcht erregender sind als die plötzliche Erkenntnis, dass man nackt ist und allein und im dunklen Wasser etwas Großes und Aggressives immer näher kommt.
Augenblicke wie diese bewirken, dass man an Halluzinationen glauben möchte – denn wenn tatsächlich drei große Männer in Trenchcoats im Schatten
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