Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

durch Tennessee fuhr. Dabei lernte ich Howlin’ Wolf kennen. Wir kannten ihn nicht, aber er gefiel uns auf Anhieb & wir verstanden, wovon er sprach. Mit »I Smell a Rat« hat er dem Axiom »So etwas wie Paranoia existiert nicht« ein Rock’n’Roll-Denkmal
errichtet. Der Wolf konnte hammerhart loslegen, hatte aber auch seine melancholische Seite und vermochte dir das Herz zu brechen wie der schlimmste Honky-Tonk-Schmachter. Wenn die Geschichte einen Mann an seinen Vorbildern und Helden misst, wie es heißt, dann möge in den Annalen zu lesen stehen, dass Howlin’ Wolf zu meinen gehört. Er war ein Riese.
    Musik hatte für mich immer etwas mit Energie zu tun und mit Treibstoff. Sentimentale Menschen nennen es Inspiration, aber was sie wirklich meinen ist Treibstoff.
    Ich habe immer Treibstoff gebraucht und konsumiere ihn in beträchtlichen Mengen. In manchen Nächten glaube ich auch jetzt noch, dass ein Auto, dessen Benzinuhr einen leeren Tank anzeigt, bestimmt noch fünfzig Meilen weiterfahren kann, wenn das Radio die richtige Musik richtig laut spielt. Ein neuer Luxus-Cadillac fährt zehn bis fünfzehn Meilen schneller, wenn man ihm eine volle Dosis von Warren Zevons »Carmelita« gönnt. Das wurde schon viele Male bewiesen. Deswegen sieht man auch gegen Mitternacht so viele Cadillacs vor den Raststätten am Highway 66 parken. Das sind Speed Pimps, die mehr als nur Benzin tanken. Wenn man einen dieser Orte eine Weile beobachtet, erkennt man das Muster: Ein großer schneller Wagen hält vorm Eingang, und ein verwegen aussehendes Girl steigt aus, splitternackt bis auf den Pelzmantel oder einen Ski-Parka. Die Kleine rennt mit einer Hand voll Geld nach drinnen, fast verrückt danach, den richtigen Soundtrack zum Autofahren zu kaufen.
    Es geschieht wieder und wieder, und früher oder später hängt man am Haken und wird süchtig. Jedes Mal, wenn ich »White Rabbit« höre, bin ich wieder auf den glitschigen mitternächtlichen Straßen von San Francisco auf der Suche nach Musik, düse auf einem schnellen roten Motorrad bergab ins Presidio und lege mich hemmungslos in die Kurven zwischen den Eukalyptusbäumen, damit ich rechtzeitig ins Matrix komme, um zu hören, wie Grace Slick Flöte spielte.
    In jenen Nächten gab es keine Musikberieselung, keine Kopfhörer oder Walkmans und noch nicht einmal einen Windschutz aus Plastik, um den Regen abzuhalten. Aber ich konnte die Musik trotzdem hören, auch wenn sie in fünf Meilen Entfernung spielte. Wenn man erst einmal die Musik so gehört hatte, wie sie gespielt werden musste, konnte man sie sich im Kopf speichern & überallhin mitnehmen, für alle Zeiten.
    Ja, Sir. Das ist die Weisheit, die ich meine, und das ist mein Song. Es ist Sonntag, und ich arbeite an neuen Regeln für mich. Ich werde mein Herz für Geister öffnen und den Tieren größere Aufmerksamkeit schenken. Ich werde Mundharmonikamusik einschieben und zur Texaco-Tankstelle fahren, wo ich einen Schweinefleisch-Taco bekomme und die New York Times lesen kann. Anschließend werde ich auf die andere Straßenseite zur Post gehen und meinen Brief in den Briefkasten werfen.
     
     
    ERKENNEN SIE DIE DROGENSÜCHTIGEN IN IHRER UMGEBUNG. DAVON HÄNGT VIELLEICHT IHR LEBEN AB! Sie können ihm nicht in die Augen sehen wegen der dunklen Brille, aber seine Knöchel sind weiß vor innerer Anspannung, und seine Hosen werden verkrustet sein von Sperma, weil er immer wieder onaniert, wenn er kein Opfer findet, das er vergewaltigen kann. Er wird torkeln und stottern, wenn man ihn befragen will. Er wird Ihre Dienstmarke nicht respektieren. Der Drogensüchtige fürchtet sich vor nichts. Er wird angreifen, völlig unvermittelt und grundlos, und das mit jeder Waffe, derer er habhaft wird – einschließlich der Ihrigen. ALSO VORSICHT. Jeder Officer, der eine Person festnehmen will, die im Verdacht steht, marihuanasüchtig zu sein, sollte unverzüglich alle gebotene Gewalt anwenden. Ein Griff (nach ihm) zur rechten Zeit, erspart (Ihnen) viel Müh und Leid. Viel Glück.
    (Ralph Steadman)

Angst und Schrecken an der Taco-Bude
    Nach Hollywood zu fahren kommt für die meisten Leute, egal unter welchen Umständen, einem Auftritt unter Hochdruck gleich. Es ist, als würde man in Tausende verschieden großer Kessel heißen Dampf pressen. Die Gesetze der Physik verlangen, dass einige von ihnen früher explodieren als andere – obwohl früher oder später alle explodieren werden, es sei denn, jemand unterbricht die Dampfzufuhr.
    Ich