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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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hinter der Tür auf mich warteten und sich obendrein noch irgendetwas im Dunkeln auf mich zu schlängelte, war mein Schicksal besiegelt.
    Allein? Nein, ich war nicht allein. Das wusste ich. Ich hatte bereits drei Männer und eine riesige schwarze Katze gesehen, und jetzt meinte ich die Umrisse einer Gestalt zu erkennen, die auf mich zukam. Sie war tiefer im Wasser als ich, aber ich konnte zweifelsfrei erkennen, dass es sich um eine Frau handelte.
    Natürlich, dachte ich. Es muss meine Süße sein, die sich anschleicht, um mir im Pool eine hübsche Überraschung zu bereiten. Ja, Sir, das passt perfekt zu dem abgedrehten kleinen Luder. Sie ist eine hoffnungslose Romantikerin und kennt diesen Pool sehr gut. Es gab eine Zeit, da schwammen wir hier jede Nacht und spielten im Wasser wie die Otter.
     
     
    Jesus und Maria!, dachte ich, was für ein paranoider Narr bin ich bloß gewesen. Ich muss wohl langsam den Verstand verloren haben. Liebe brandete in mir auf, als ich mich erhob und sie eilig in die Arme nehmen wollte. Ich konnte ihren nackten Körper bereits in meinen Armen spüren … Ja, dachte ich, die Liebe besiegt alles.
     
     
    Aber nicht lange. Nein, schon nach ein, zwei Minuten Zappeln und Plantschen im Wasser merkte ich, dass ich in Wirklichkeit ganz allein im Pool war. Sie war nicht da, und die Freaks in der Ecke waren auch nicht da. Und eine Katze gab es auch nicht. Ich war ein leichtgläubiger Narr. Die Kolben in meinem Gehirn fraßen sich fest, und ich fühlte mich so schwach, dass ich kaum aus dem Pool klettern konnte.
    Scheiße, dachte ich. Ich komm in dem Laden hier nicht mehr
zurecht. Er zerstört mein Leben mit seinem Wahnsinn. Ich muss weg, und ich werde nie wiederkommen. Hier war meine Liebe verhöhnt und mein Sinn für Romantik zerschmettert worden. Dieses grässliche Erlebnis hätte mir in jeder Highschool eine Nominierung zum Klassentrottel des Jahres eingebracht.
    Im einsetzenden Morgengrauen fuhr ich die Straße wieder zurück. Kometen kollidierten keine, im Schnee waren keine Spuren außer meinen, zehn Meilen im Umkreis war kein Laut zu hören bis auf Lyle Lovett aus meinem Radio und dem Heulen einiger Kojoten. Ich lenkte mit den Knien und zündete mir eine Glaspfeife Haschisch an.
    Zu Hause lud ich erst mal meine .45er Smith & Wesson und ballerte auf dem Hof ein paarmal auf ein kleines Bierfass, bevor ich wieder hineinging und fieberhaft in ein Notizbuch kritzelte … Na und?, dachte ich. Jeder schreibt doch seine Liebesbriefe sonntagmorgens. Das ist die naturgegebene Form der Verehrung, eine sehr hohe Kunst. Und an manchen Tagen beherrsche ich sie ausgezeichnet.
    Heute war ganz sicher ein solcher Tag. Ohne Frage. Also los . In eben diesem Moment läutete das Telefon, und ich riss den Hörer von der Gabel, aber es meldete sich niemand. Ich ließ mich am Kamin zu Boden sinken und stöhnte. Da läutete es wieder. Ich ergriff den Hörer, aber wieder war keine Stimme zu hören. Jemand will mich verarschen … Ich brauchte Musik, ich brauchte Rhythmus. Ich war entschlossen, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, und deswegen drehte ich die Lautsprecher voll auf und spielte »Spirit in the Sky« von Norman Greenbaum.
    Während der nächsten drei oder vier Stunden hörte ich den Song immer wieder, während ich meinen Brief in die Maschine hämmerte. Mein Herz raste, und die Musik ließ die Pfauen schreien. Es war Sonntag, und ich ehrte ihn auf meine Weise. Niemand muss am Tag des Herrn unbedingt verrückt spielen.
Meine Großmutter wirkte nie übergeschnappt, wenn wir sie sonntags besuchten. Sie kredenzte stets Tee und Gebäck, und immer lächelte sie. Wir mussten auf die Westseite von Louisville, in die Nähe der Schleusen des Ohio. Ich erinnere mich an eine schmale Betonauffahrt und einen großen grauen Wagen hinter dem Haus. Die Auffahrt bestand aus zwei Betonstreifen, zwischen denen Grasbüschel wuchsen, und sie führte zwischen den wild wuchernden Rosensträuchern zu einem Schuppen, der völlig verlassen aussah. Was auch zutraf. Er war verlassen. Niemand spazierte je in den hinteren Garten, und niemand fuhr den großen grauen Wagen. Er wurde nie bewegt. Es gab keine Spuren im Gras.
    Es war eine LaSalle Limousine und, soweit ich mich erinnern kann, ein schnittiges Kraftpaket mit einem starken 8-Zylinder-Reihenmotor und Knüppelschaltung, vielleicht ein 1939er Modell. Wir konnten den Wagen nicht anwerfen, weil seine Batterie leer und das Benzin knapp war. Es herrschte Krieg. Man brauchte

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