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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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glaubhaft das Gerücht sei, das während der Parteiversammlung der Demokraten 1972 aufkam und das andeutete, George McGovern werde in Kürze den zweiten Platz auf seiner Kandidatenliste Leonard Woodcock, dem Präsidenten der United Auto Workers, antragen (Hunter entschied sich, diesem Gerücht nicht zu trauen, und wie gewöhnlich behielt er Recht), bis hin zum Studium der Einträge, die sich im Thesaurus für das Wort Gewalt fanden. (»Dazu gehören hier Macht, Ungestüm, Kraft, Heftigkeit, Schärfe, Wildheit, Grausamkeit, Willkür, Kraftmeierei, Gräuel[tat], Wutausbruch, Aufruhr, gewalttätige Leidenschaft  … Kann einem ja Angst machen; das ist ja wie eine Art Porträt von mir in Worten.«)
    Aber dann verlieren seine Werke, auf ein kaum wahrnehmbares Zeichen hin, ihre Erdung und driften in eine Art Hyperraum, wo die Fakten auf Stecknadelkopfgröße schrumpfen, ähnlich wie die Erde aus der Sicht eines Kosmonauten immer winziger wird. Das angestrebte Ziel ist dann nicht mehr die faktengetreue Darstellung, sondern verlagert sich auf die Suche nach einer verborgenen Wahrheit. Nur wenige Leser können diese Wendepunkte einwandfrei orten, und sehr viele stellen eine immer wiederkehrende Frage: Wie viel in den Schilderungen Hunters über seine Eskapaden – die schnellen Autos, unbändigen Motorräder, schwerkalibrigen Waffen und hochexplosiven Sprengstoffe, die schönen Frauen und die halluzinogenen Drogen, die beängstigenden Missgeschicke und die vielen waghalsigen Flirts mit dem drohenden Desaster, die seine Wendung »Angst und Schrecken« zu einem geflügelten Wort gemacht haben –, wie viel davon ist übertrieben?
    Bei weitem nicht genug, als dass man sich entspannt zurücklehnen könnte.
    Hunter hat sein Leben lang die Angst studiert – aber sie auch gelehrt. Er gab einem Song, den er kürzlich mit Warren Zevon schrieb, den Titel »You’re a Whole Different Person When You’re Scared«, und er ist überzeugt, sein Gegenüber nicht wirklich zu kennen, bevor er nicht auch diesen anderen Menschen in ihm kennt. Diverse Male ist er mit einer übel aussehenden Injektionsspritze für Pferde auf mich losgegangen, hat mich mit einer geladenen Schrotflinte bedroht, mit Elektroschockern und Reizgas-Spraydosen, hat mich mitgenommen, wenn er mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in dunkler Nacht zu abgelegenen Mordschauplätzen raste – und ich möchte bezweifeln, dass meine Reaktionen auf derartige Strapazen sein Interesse weckten, denn ich habe ihm stets in aller Seelenruhe mein Leben anvertraut. Doch diejenigen, die sich angesichts solcher Behandlung derart verwandeln, dass sie die Infrarotsensoren von Hunters tückischer Neugier aktivieren, können sich auf einen interessanten Abend gefasst machen.
    Gleichzeitig ist dieser heulende Gewaltbesessene – gewohnheitsmäßig voll bis an den Kragen mit starken Rauschmitteln und mit egomanischen Zügen Beethoven’scher Dimension unter der Schädeldecke – aber auch gewissenhaft und rücksichtsvoll, höflich und mitfühlend, seltsam friedliebend auf seine Weise und unerschütterlich freigebig. Als er und ich jung waren und abgebrannt und man mich aus dem letzten festen Job feuerte, den ich je hatte, bot er sofort an, mir vierhundert Dollar zu schicken  – das ganze restliche Guthaben, das er damals noch auf seinem Konto hatte. Er hatte jedoch keine Ahnung, dass ich davon wusste. Wenn man sich fragt, wie er seine zahlreichen Exzesse hat überleben können, müssen seine tief verwurzelte Rechtschaffenheit und Integrität herausgestellt werden, aber hinzu kommt die Tatsache, dass er mit außergewöhnlichen Reflexen gesegnet ist. Ich habe einmal gesehen, wie er aus Versehen mit
dem Handrücken einen Drink vom Tisch stieß, als er nach einem läutenden Telefon griff, aber dann das fallende Glas mit derselben Hand auffing, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten. Als wir Zuschauer unsere Verblüffung über dies Kunststück zum Ausdruck brachten, sagte er: »Na ja, wenn wir hier meiner Fähigkeit applaudieren, Rettungstaten zu vollbringen, sollten wir nie vergessen, wer die Unfälle eigentlich erst verursacht hat.« Mir ist nie jemand begegnet, der Hunter wirklich kannte und ihn nicht liebte.
    Wir haben es mit einem hinreißenden, wenn auch furchteinflößenden Mann der Tat zu tun, so spektakulär und unvorhersehbar wie ein Blitzschlag, der gleichzeitig immer von einem eulenähnlichen, weisen Autor beobachtet wird, der zwar in derselben Haut steckt, aber

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