Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
der Straße wegzuschaffen, weil die Polizei
drauf und dran war, sich auf die Bande von jugendlichen Kriminellen zu stürzen, die vor der Taco-Bude herumlungerten. »Die haben sich gerade erst mit den Cops eine Schlägerei geliefert«, sagte sie. »Jetzt fürchte ich, dass jemand ums Leben kommt.«
Wir parkten direkt bei der Ansammlung von finsteren Gestalten, der es demnächst an den Kragen gehen würde, und deswegen eilte ich hinaus, um Anita zu alarmieren und den Wagen an einen sicheren Ort zu fahren. Danach kehrten wir vorsichtig zurück und setzten uns in eine hintere Nische. Ich legte meinen Arm um Anita und versuchte, sie zu beruhigen. Sie verlangte nach Gin, und glücklicherweise hatte ich noch einen Flachmann in meiner mit Vlies gefütterten Jackentasche. Sie trank gierig und ließ sich dann grinsend auf dem Sitz zurückfallen. »So viel also dazu«, zirpte sie. »Ich hab wohl echt verrückt gespielt, was?«
»Ja«, sagte ich. »Du warst völlig außer Kontrolle. Es kam mir so vor, als hätte ich es mit einem Vampir zu tun.«
Sie lächelte und packte meinen Oberschenkel. »Ich bin ein Vampir«, sagte sie. »Wir müssen noch so viele Meilen hinter uns bringen, bevor wir schlafen können. Ich bin hungrig.«
»Verstehe«, sagte ich. »Wir werden uns mit Tacos voll stopfen müssen, bevor wir uns wieder auf den Weg machen. Ich bin auch wahnsinnig hungrig.«
Im selben Moment tauchte die Kellnerin auf, um unsere Bestellung aufzunehmen. Die Gang junger Chicanos draußen vor der Tür hatte sich ganz plötzlich aufgelöst und war in einem Paar weißer Pick-ups ins Dunkel der Nacht davongebraust. Es handelte sich eigentlich um ganz manierliche Burschen, und die meisten waren Teenager mit mächtig breiten Schultern, Trikots der Dallas Cowboys und Köpfen wie rasierte Kokosnüsse. Sie hatten keine Angst vor den Cops, aber sie machten sich trotzdem davon.
Die Kellnerin war höchst erleichtert. »Gott sei Dank«, sagte sie. »Jetzt hat Manuel noch eine weitere Nacht zu leben. Ich hatte
Angst, sie würden ihn umbringen. Wir sind doch erst seit drei Wochen verheiratet.« Sie schluchzte, und ich ahnte, dass sie über kurz oder lang zusammenbrechen würde. Ich stellte mich als Johnny Depp vor, merkte aber schnell, dass ihr der Name nichts sagte. Sie hieß Maria. Sie war siebzehn und hatte ein falsches Alter angegeben, um den Job zu bekommen. Sie war die Geschäftsführerin, und Manuel war der Koch. Er war fast schon einundzwanzig. Jeden Abend lungerten seltsame fremde Männer um den Taco-Stand und drohten, dass sie ihn umbringen würden.
Maria setzte sich in die Nische zwischen uns, und wir legten beide den Arm um sie. Sie erschauerte und sank dann kraftlos gegen Anita, der sie einen sanften Kuss auf die Wange gab. »Keine Sorge«, sagte ich. »Heute Nacht wird niemand umgebracht. Es ist die Nacht des Vollmonds. Manch einer wird heute Nacht sterben, aber wir nicht. Ich bin geschützt.«
Was der Wahrheit entsprach. Ich bin ein Kind des Dreifachen Mondes, und an diesem Abend befanden wir uns unter dem Mond des Jägers, Hunter’s Moon. Ich zog die Kellnerin näher zu mir und redete beschwichtigend auf sie ein. »Du hast nichts zu fürchten, meine Kleine«, sagte ich zu ihr. »Keine Macht auf Erden kann dir heute Nacht etwas zuleide tun. Ich schreite an der Seite des Königs.«
Sie lächelte und küsste dankbar mein Handgelenk. Manuel, der in der Küche hockte, beobachtete uns niedergeschlagen und wortlos. »Keine Bange«, rief ich ihm zu. »Heute Nacht wird dich niemand umbringen.«
»Hör auf, sag das nicht immer wieder!«, schnauzte Anita, als Manuel noch mehr in sich zusammensank. »Siehst du denn nicht, was für Angst er hat?« Maria fing wieder zu weinen an, aber ich zerrte sie auf die Beine. »Reiß dich zusammen!«, sagte ich scharf. »Wir brauchen noch mehr Bier und Tacos mit Schweinefleisch zum Mitnehmen. Ich muss heute Nacht noch die ganze Küste rauffahren.«
»Stimmt«, sagte meine Begleiterin. »Wir sind in den Flitterwochen und haben’s eilig.« Sie lachte und griff nach meiner Brieftasche. »Komm schon, mein Großer«, säuselte sie. »Sei nicht so knickrig. Gib sie mir einfach.«
»Pass auf, was du tust«, knurrte ich wütend und stieß ihre Hand von meiner Jackentasche weg. »Du benimmst dich schon die ganze Zeit so merkwürdig. Seit wir aus L. A. weg sind. Wir kriegen echte Probleme, wenn du mich noch mal von der Seite anmachst.«
Sie grinste nur und streckte träge die Arme hoch über den Kopf.
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