Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
nichtsdestoweniger ständig von dessen Verhalten überrascht und irritiert wird, genauso wie der Rest von uns. In Königreich der Angst ergeben sich aus den Interaktionen dieses seltsamen Gespanns Schilderungen von Abenteuern wie Hunters nächtlichem Ausflug zum Haus seines alten Freundes Jack Nicholson. Seinen Jeep hat er beladen »mit allerlei Scherzartikeln und technischem Plunder«, womit er die Herzen von Nicholsons Kindern zu erfreuen vorhatte: »Außer dem blutigen Wapitiherz gab es da noch einen klotzigen Outdoor-Verstärker, die Tonbandaufnahme vom Todeskampf eines Schweins, das lebendig von Bären gefressen wird, einen Suchscheinwerfer mit einer Million Watt und eine Neun-Millimeter-Pistole von Smith & Wesson, Halbautomatik mit Teakgriff, sowie eine Schachtel mit Hochleistungsmunition. Dann war da noch ein Leuchtfallschirm mit der Lichtstärke von vierzig Millionen Kerzen, der das Tal vierzig Meilen weit und vierzig Sekunden lang so grell erleuchten würde, dass jeder, der das Glück hatte, noch wach zu sein, annehmen musste, es handele sich um den ersten gleißenden Detonationsblitz einer mittelschweren Atombombenexplosion, die vielleicht das Ende der Welt ankündigte.« Als der Einsatz all dieser Mitbringsel auf einem Felsvorsprung oberhalb des
Anwesens von Nicholson nicht den erwarteten freudigen Willkommensgruß bewirkt, empfindet der peinlich berührte Hunter das »als Brüskierung«.
»Langsam hatte ich eher gemischte Gefühle, was diesen Besuch betraf«, gesteht er, während er sich daran macht, das blutende Wapitiherz vor Nicholsons Eingangstür zu deponieren, aber schon bald ist er wieder guten Mutes und fragt sich: »Wieso lasse ich mich zu so negativen Gedanken hinreißen?«
Und das ist, wenn man etwas Farbe rausnimmt und die Lautstärke runterdreht, so ziemlich genau die condition humaine, das, was wir alle täglich erleben. Wir tun Dinge, ohne zu wissen, warum, wundern uns über die Folgen und wissen weder, woher wir kommen, noch, wohin wir gehen. Robert Frost schrieb, dass wir im Kreis herum tanzen und uns in Vermutungen ergehen, während das Geheimnis in der Mitte thront und weiß . Hunter tanzt, ohne Frage, aber statt Vermutungen anzustellen, hört er nie auf, nach dem Wissen zu streben. Sein Ziel – wie Joseph Conrad es in seinem Vorwort zu The Nigger of the Narcissus formuliert, einem Werk, das den jungen Hunter höchst beeindruckte – »besteht darin, euch kraft des geschriebenen Wortes hören, fühlen und vor allem sehen zu machen« und uns »Ermutigung, Trost, Angst, Bezauberung« zu spenden » – alles, was ihr verlangt und vielleicht auch noch jenes Fünkchen Wahrheit, nach dem zu fragen ihr vergessen habt.«
Und das ist unter anderem der Grund, warum wir ihn lieben.
Memo aus der Sportredaktion
Ich sah mir gestern Abend im Fernsehen das Footballspiel Denver gegen Oakland an, als es von einer EILMELDUNG unterbrochen wurde, in der das FBI verlauten ließ, unbekannte Terroristen hätten vor, wichtige Ziele vielerorts in den Vereinigten Staaten zu zerstören, möglicherweise innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden. Das FBI habe dies aus verlässlichen Quellen erfahren, wie die unsichtbare Stimme erklärte. Das amerikanische Volk sei aufgerufen, äußerst wachsam zu sein & sich bereitzuhalten, von einer Minute zur anderen evakuiert zu werden … Jede Person, die verdächtige Äußerungen machte oder irgendwie gefährlich aussah, sollte umgehend bei der lokalen Polizeidienststelle oder bei einer der Behörden zur Verbrechensbekämpfung gemeldet werden! Es herrschte Alarmstufe Rot.
»Scheiße! Nicht schon wieder!«, rief meine Anwältin aus. »Ich muss morgen nach Boston fliegen. Was, zum Henker, geht in diesem Land bloß vor?«
»Stellen Sie niemals diese Frage«, ermahnte ich sie, »es sei denn, Sie kennen bereits die Antwort.«
»Das tue ich doch«, sagte sie. »Wir sind im Arsch, absolut im Arsch.«
Die »Anmerkungen des Autors« – wenn es sie denn überhaupt gibt – sind ausnahmslos der schlechteste und lahmste Teil jedes Buches, und das gilt auch für meins. Grund dafür ist, dass es sich notwendigerweise um den verzweifelten »letzten Schliff« handelt, der einem Buch mitgegeben wird, kurz bevor es in Druck geht – und das Buch selbst, einschließlich der beiden Jahre fieberhafter Arbeit und schlimmer Seelenqual, scheint zum Misserfolg verurteilt, wenn der Autor seine Anmerkungen nicht rechtzeitig vor Veröffentlichung fertig stellen kann.
Aber
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