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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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haben. Und guten Appetit.» Die dunkel Gewellte, die Sultzer hieß, aber mit «tz», im Unterschied zu ihrer Kollegin, und mit Vornamen Antonia, rückte die Vase ein Stück vom Brotkorb fort. Ihr unmerkliches Ausharren im Salon hatte auch damit zu tun, daß man bei keinem Gast je wußte, wann und ob es überhaupt ein Trinkgeld gab. Caterina Valente hatte keins spendiert; überhaupt zeigten Frauen sich gegenüber Frauen selten großzügig. Mario Lanza, der Startenor, hatte in einer Tasse ein gerolltes Bündel riesiger Scheine hinterlassen. Zweitausend Lire! … Fast fünfundzwanzig Mark. Nicht schlecht. Marika Rökk hatte sich kürzlich mit einer Tafel Schokolade bedankt; Bundespräsident Heuss, vielleicht unbestechlicher Amtsträger und Schwabe, mit einem festen Händedruck; der britische Hochkommissar für Deutschland wiederum, ein Sir Ivanore oder Ivanhoe Kirck van Patrick, mit Freikarten für die hiesige Truppenparade zum Geburtstag der Königin. Ein großes Ereignis. Und wer hatte vor einem Jahr nicht vor den Schaufenstern gestanden, wenn er die Zeit gefunden hatte, um ihre Krönung mitzuverfolgen? Das Juwelengold auf dem Haupt schien die junge Queen fast zu erdrücken. Doch sie hatte überdies das Zepter ganz zauberhaft würdevoll gehalten. Wann erlebte der Mensch etwas so Glanzvolles und Erhebendes je wieder? Die Lords, die Roben und die Kathedrale erstmals auf einem Fernsehschirm … Dank der drei Billetts oder tickets , wie der englische Hochkommissar sie genannt hatte, hatten Antonia und Jeanette obendrein Antonias Neffen, die Kriegswaise Friedrich, mit zum Defiliermarsch der Schotten nehmen können. Sie tragen keine Schlüpfer, hatte Jeanette Sulzer stur gemutmaßt und getuschelt. Aber irgend etwas befand sich unter den Röcken. Zumindest im Gefecht. Undenkbar sonst. Zwischen einer Kavallerieeinheit und der Jeepformation der Rheintruppen war Fritz von einer Nougatbombe und einer Portion Coleslaw schlecht geworden.
    Antonia Sultzer zog den Wagen ein wenig vom Tisch zurück. Auf der Anrichte nahm sie den Plattenspieler und ein Musiksortiment wahr. «Die Klingel ist neben der Tür.» Indem sie sich zum Gehen wandte, zog sie ein Sesselkissen zurecht. Sie trat einen Schritt beiseite und deutete einen Knicks an. Ganz üblich war solche Geste nicht mehr, doch hatte sich eine neue noch nicht durchgesetzt.
    «Wie geht’s der Stimme?» Die Ehefrau trat ein. «Hast du gut geschlafen, Tommy? – Danke, mein Kind», beschied sie zur Seite. «Ich meinte zwar, gegen vier ein leises Gepolter gehört zu haben», antwortete er, «aber ich glaube, das klang aus einem Traum nach. Es muß ein Nachtmahr gewesen sein. Ich weiß es nicht. Habe dann wieder leidlich geruht.» Die Gattin begutachtete den eingedeckten Tisch. «Fein. Ein reizendes Bouquet. Gerbera sind bodenständig. Und Rosenduft bei einer Mahlzeit wäre störend. Die Wurst schmeckt nach Parfum, und man hustet plötzlich.»
    «So haben wir es auch gedacht, gnädige Frau», fing die Zimmerkellnerin glückhaft den Ball auf.
    «Obwohl jetzt Rosenzeit ist.»
    «Das will ich meinen. Der Park von Benrath ist ein Blumenmeer. Alle Sorten, ein Paradies.» Bevor irgend etwas gesagt würde oder geschähe, das der Kontrolle entglitt, zog sich die Kellnerin lieber zurück und hatte hier auch nichts zu reden und zu suchen.
    «Lesen Sie, mein Kind?» fragte die Frau mit rauher Stimme wenig konzentriert und umgriff ihre Perlenschnur. «Antworten Sie nicht. Was geht es Fremde an?»
    «Von einer Freundin», antwortete die Angestellte berechtigt scheu, «die das Bett macht, habe ich Schnee am Kilimandscharo geliehen bekommen, nur ein Rotationsdruck, aber die Taschenbücher sind billig, das ist ganz wunderbar, von einem Amerikaner Hemingway. Vielleicht ein bißchen sentimental mit dem Schmachten nach der Geliebten, halt fürs Herz und exotisch, und wie die Hauptfigur die wahre Liebe erkennt. Fesselnd und so echt vom Gefühl. Von Ihrem Gemahl wollen wir jetzt Königliche Hoheit anschauen. Das ist bestimmt auch hinreißend mit dem Dieter Borsche. Meine Freundin schwärmt für ihn. Dazu die alten Schloßkulissen.»
    «Die Kulissen sind neu. Das Schloß meines Mannes sollte altehrwürdig und verwinkelt wirken.»
    «So meine ich.»
    «Danke», wurde verhalten beschieden, «die Schauspielerin reitet viel.»
    «Das kann die Leuwerik. Das bringt schön Bewegung auf die Leinwand. Immer nur Reden, Getue und Gegrübel hält man nicht lange aus.»
    «Gut denn. Wissen Sie, daß man es in Amerika

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