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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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tagsüber.
    «Foyer, bitte.»
    «Ich ahnte es.»
    «Tüchtig im Einsatz», murmelte Heuser.
    «Nachtschicht meint ein Zubrot.»
    «Lobenswert.» Eigentlich hatte er ungestört sein wollen, aber so ging es auch.
    «Demnächst werde ich, da Sie Anteil nehmen, in gehobenerem Dienst tätig sein, mit Führerschein. Auch bei einem späteren Aufenthalt Ihnen gern zu Diensten.»
    «Armand, nicht wahr?»
    «Es spricht sich herum.»
    Zwischen viertem und drittem Stock verstummten sie. Der fünfundvierzigjährige Klaus Heuser lehnte gegen das Furnier, der längst nicht halb so alte, der blutjunge Bedienstete trug um vier Uhr früh die Handschuhe straff. Gleichfalls dunkles Haar, womöglich nicht unähnliche Gesichtszüge, wollte es Klaus Heuser erscheinen, ohne die für ihn selbst bittere Alterung um Jahrzehnte. Offenbar, ein Lächeln mochte darauf hindeuten, hatte der Liftpage es vor ihm erkannt: Zwei schwarze Augenpaare blickten durch das Gelaß. Das war ein wenig unheimlich.
    «Waren Sie je auf Sylt?»
    Armand wirkte mäßig verblüfft. «Bis jetzt nicht, so weit im Norden nie. Wiewohl es mich sehr reizvoll dünkt. Ich träume gelegentlich eher vom Süden – Lissabon, wenn nicht gar, in ferner Zeit, Buenos Aires.»
    «Auch ich geriet unversehens in die Ferne.»
    «Davon würde ich zu meinem Nutzen gerne mehr erfahren.»
    «Und Asien?»
    «Oh», sie durchquerten den zweiten Stock, «auf solche Zukunft bin ich bisher nicht verfallen. Doch nur aus reinem Unbedacht. Eine Insel wie Formosa muß ganz formidabel sein. Und Siam schmückt sich gar noch mit einem Hofstaat, in dessen Rituale sich verarmter Adel bereichernd fügen könnte.»
    «Sie sind nicht ich?»
    «Wie bitte, der Herr?»
    «Sie finden Ihren Platz.»
    Parterre war erreicht.
    «Darf ich Ihnen Socken bringen? Grüne oder eher bedeckt. Im Stauraum lagert allerlei.» Klaus Heuser wandte sich um, es war warm genug, Armand entfernte sich nach oben. Die Halle lag ausgestorben. Im Portierzimmer brannte Licht. Ein schwacher Schatten rührte sich kaum. Die altvertraute Uhr mit dem Einschußloch im Zifferblatt zeigte kurz nach vier. Zeitungen lagen aus. Waren es schon neue, vielleicht mit Nachrichten von daheim?
    «Ich brauche eine Freude.»
    Klaus näherte sich dem schweren Sessel mit der Rauchschwade darüber.
    «Du hast auf dich warten lassen.»
    «Ich war mir nicht sicher. Nach diesem anstrengenden Abend.»
    «An Schlaf ist nur noch selten zu denken.»
    «Aber Sie müssen ruhen. Bald steht Ihre Reise an.»
    «Noch zu leben, ist fehlerhaft, besonders da ich fehlerhaft lebe. Essen ist mir eine Last und Plage. Mein einziges Behagen ist rauchen und Kaffee trinken, was beides schädlich ist. Übrigens ist das gebückte Sitzen am Schreibtisch ebenfalls schädlich. So ist es, wenn man sich überlebt. Wagner schrieb mit annähernd siebzig sein Schlußwerk, den Parzifal , und starb nicht lang danach. Ich habe ungefähr im selben Alter mein Werk letzter Konsequenz, den Faustus , Endwerk in jedem Sinn, geschrieben, lebte aber weiter. Der Erwählte , noch reizvoll, und Die Betrogene sind bereits überhängende Nachträge, schon unnotwendig … Was ich jetzt führe, ist ein Nachleben. Doch das muß nicht dich bekümmern.»
    «Das tut es doch.»
    «War nicht das ganze Leben peinlich? Es gab wohl selten ein solch Ineinander von Qual und Glanz.»
    «In dieser Reihenfolge?» fragte Klaus.
    Thomas Mann lächelte. Heuser nahm im Fauteuil neben dem Dichter Platz. Der war korrekter gekleidet als er selbst, im Anzug mit tadelloser Bügelfalte. Blätter drohten von seiner Lehne zu rutschen, Heuser ergriff sie.
    «Gedanken für eine Schillerrede im nächsten Jahr.»
    «Dann werden Sie auch … zweimal vierzig Jahre.»
    «Nicht so freundlich gekünstelt an falscher Stelle, junger Mann. Achtzig. Gratulanten und die Dankesschreiben werden mir den letzten Stoß versetzen. Was ich mir vorstelle», Thomas Mann blies mit konzentrierter Miene Rauch zum Kamin, «jeden, der mich mag, zu einem Glas Portwein und einem Stück Torte einzuladen.»
    «Na, so viele Bäcker gibt es auch in Zürich nicht. Und Portwein ist nicht mehr sehr in Mode.»
    «Du siehst, wie die Zeit mich überholt.»
    «Der letzte Bürger stirbt nie.»
    «Ach, Klaus Heuser, hättest du mich immer so getröstet? Wie sollte ich heute schlafen?»
    Es zog an den Füßen. Heuser blickte hinab. «Verzeihen Sie, ohne Strümpfe, liederlich.» «Liederlich, außer Rand und Band ist es, daß ich hier sitze und nicht auf dem Zimmer mir die Nacht

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