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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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Grad hätte das Kaminfeuer durchaus angezündet sein können. Ruhig trank er einen Schluck. Klaus benötigte meistens länger, wie er selbst auch. Aber das meinte Luxus.
    Was hatte der hiesige Kriegsverbrecher gewollt? Da Klaus mittlerweile gelegentlich Selbstgespräche führte – mit den Jahren hatte jeder wahrscheinlich häufiger mit sich selbst ins Gericht zu gehen –, war in der Badewanne der Besuch sozusagen vollkommen untergegangen. Hübsch klang in Anwars Kopf die Melodie nach, mit der die erste Einbrecherin ihr Lied gesungen hatte – Laß doch die dummen Sorgen sein, man soll nicht drüber reden … Wohl wahr, falls er recht verstanden hatte, und auch nicht. Vieles blieb heikel und natürlich auch ungelöst. Angesichts dieser Tatsache mußte man als Mensch und Partner wachsam und wendig bleiben. Ein Übermaß an Schmerz würde man spüren und sodann handeln. Nun ja, was war aus einem Sessel heraus im Moment weiteres auf die Reihe zu bringen? Und es bestand keine Notwendigkeit dazu. Reisen belebten auf angenehme Weise.
    «Darf es noch ein Fürstenborn sein?»
    «A wine from the Rhine, please.»
    Der Ober zögerte. Da er selbst vorzeiten im Centraal bedient hatte, ahnte Anwar, daß die Bestellung einen Haken hatte.
    «Geisenheimer? Steinberger or from Nierstein?»
    «Sounds very good, the last one.»
    Er zuckte in den Polstern zurück. Dort kam sie die Treppe herab. Die Erika Mann. Anders gekleidet. Im aprikosenfarbenen Hosenanzug. Andere Damen musterten die Sängerin und Dichtertochter befremdet. Ihr Augenmerk galt nicht ihm. Die grazile Gestalt eilte einem Herren am Empfang entgegen. Der trug ein Schottensakko mit Lederbesatz an den Ärmeln. Er war nicht groß und hatte einen Koffer neben sich abgestellt. In der Rechten hielt er eine Pfeife. Ob das Gesicht der Heraneilenden oder seines angespannter wirkte, war nicht zu entscheiden. Sie streckte die Arme aus, zog sie wieder zurück; er stopfte seine Hände mitsamt wohl kalter Pfeife in die Jackettaschen und löste sich ein wenig von der Rezeption.
    Anwar duckte sich intuitiv.
    Mit einiger Körperdistanz umarmten die beiden einander, wobei die Wangenküsse forciert wirkten.
    War er einer ihrer Ehemänner? Der Brite, den sie erwähnt hatte, Mr. Auden? Sie redete heftig; er hatte einen breiten Mund und schien ruhiger zu antworten. Vom Gesichtsprofil her zu urteilen, konnte sie beinahe er sein und er sie, markante Nasen, Haar über die Ohren zurückgekämmt, ihres angegraut, seines dunkel. Sie schüttelte den Kopf. Er ließ seine Schultern hängen. Beide wandten sich dem Empfangschef zu, der nicht zu wissen schien, auf wen von den beiden er sich konzentrieren sollte. Erika Mann schlug mehrmals mit flacher Hand und gewiß rasselndem Armband auf den Tresen, der Fremde wandte sich ihr besänftigend zu. Man meinte, von ihr Nein zu hören, von ihm Doch . Das Gästebuch wurde ihm vorgelegt. Sie stemmte die Hände in die Hüften. Er trug sich wie mit dem Doch ein. Bei einem erregten Blick durch die Halle nahm Erika Mann Anwar wahr, der Wein schluckte. Aber sie war abgelenkt und faßte gleichfalls nach dem Koffer, den der neue Gast anhob. Sie schien ihn hinaustragen zu wollen, er woandershin. Beinahe Stirn an Stirn, nicht unähnlich zwei Stieren, tauschten die Schriftstellerin und der Mann in Cordhose sich aus. Er gewann. Sie ließ den Koffergriff los, er näherte sich gleichwohl gebeugt der Treppe und nahm zwischen Gladiolensträußen auf den Pfosten die untersten Stufen. Sie blieb geschlagen zurück. Aber ihr Blick erfaßte erneut Anwar, auf den sie nun zuhielt. Er wollte sich wegdrücken, doch wohin?
    «Als gäbe es nicht schon genug Scherereien. Was machen Sie denn noch hier?»
    Der Asiate zuckte langsam die Achseln.
    «Ich hatte Klaus doch dringlichst gebeten, die Stadt oder das Hotel zu verlassen. Oder hatte ich das nicht?»
    «Ich bin nicht Klaus.»
    Das schien Erika Mann einzusehen, und sie lächelte. «Guter Junge», sagte sie unter dem Lüster, «ein ungebetener, oder besser, unerwarteter Gast nach dem anderen trifft ein, und Klaus Heuser will obendrein meinen armen geplagten Vater mit Sentimentalitäten aufwühlen. Das geht bitte nicht.»
    «Wir Frühstück nebenan», erklärte Anwar und wies nach draußen vor dem Hotel, «dann nicht zusammentreffen.»
    «Das ist ja auch elend», gestand Erika Mann ein. «Wollen Sie dann nicht lieber gleich ganz ausziehen? Ich will Ihnen gerne auf meine Kosten eine Bleibe besorgen. Thomas Mann trifft Klaus Heuser nicht mehr!

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