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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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oder aus Solingen. Dessen bin ich mir sicher. Die Bedienung ist patent. Sie wird eine Nische für Sie finden.»
    «Ich weiß nicht, was ich will. Jedenfalls nicht präzise.» Beim Sprechen schien der Fremde ein Klümpchen heißen Breis im Mund zu bewegen, zugleich zischten die schärferen Laute.
    «Sehen Sie», sagte Klaus, «in solchem Fall ist die Kellnerin ideal, wie ein Vater oder eine gute Schwester zeigt sie Ihnen, wo’s langgeht.»
    «So vergleichen Sie’s absichtlich», bebte die dunkle Stimme zart. «Warum tun Sie mir das an?» Anstelle von Klaus hob Anwar entschuldigend die Hände. Das war es dann wohl. Tatsächlich wurde eine Nische frei. Das Wetterleuchten durch die Butzenscheiben wurde greller, ein Junge spähte durchs angekippte Fenster in die Neusser Stube. In die Stirnfurchen des vielleicht fünfzigjährigen gedrungenen Herrn traten Schweißperlen. Er beugte sich vor und flüsterte mit leicht schiefem Mund: «Ich hoffe, Sie haben schön geträumt.»
    «Na, nun lassen Sie das mal.»
    «Ich spürte es noch Tage danach.»
    «Ich fürchte, Sie brauchen Hilfe. Aber fachliche.»
    «Sie haben in meinem Bett geschlafen.»
    Das war starker Tobak. Sowohl für Klaus als auch für Anwar. Der fremde Mann glitt auf den Stuhl neben der Pastete.
    «Bitte schnappen Sie Luft», sagte Heuser. Er forschte mit aller Kraft in sich nach. «Ich kenne Sie nicht.»
    «Wird man mich je kennen?» Manchmal vergaß man, daß ein Griesklümplein die Stimme zu untermalen schien. «Gewiß. Bekannheit ist kein Wert an sich. Doch wer vermag sich mit der eigenen Bedeutungslosigkeit anzufreunden?»
    «Rechtschaffen gelebt, heißt auch, tüchtig gestrebt», gab Klaus einen Lampenspruch wieder.
    Der Fremde wirkte zumindest nicht sehr gefährlich. Vielleicht hatte er die wehesten Augen im Raum. Sein Krawattenknoten war unordentlich.
    «Bett? In Bett, eins?» hakte Anwar unklar, aber auffällig ungemütlich nach. Sein neuer Sitznachbar mit lederbesetzten Ellenbogen nickte. Klaus schüttelte ziemlich energisch den Kopf.
    «Die Gästezimmer wurden renoviert, endlos.» Der Fremde sann mit schweren Lidern in den Dunst. «Denn vormittags und nachmittags durfte kein Krach sein. Eigentlich konnten die Handwerker nur zur Teezeit ein paar Stunden werkeln.»
    «Das kommt aber teuer mit den Anfahrten.»
    Gab es eine Hunderasse, eine größere, melancholische, die manchen Menschen ähnelte?
    «Sie», nun schaffte er vielleicht den Anlauf für die Klärung, daß man einander unbekannt war, «wurden in mein Zimmer einquartiert. Ich hatte gerade Abitur gemacht, wollte mich mit der Jurisprudenz einlassen.» Klaus verkniff sich ein: Glückwunsch! an den Wirren. «Zwischendurch aber zog es mich immer wieder mächtig ins Freie, ins Land, ich wanderte durch den Frankenwald. Trotz meines lädierten Knies oder gerade weil ich den Schmerz und die Unsicherheit im Knorpel bezwingen mußte.» «Knie ist sehr kompliziert.»
    «Hochsprung in der Schule, da war es passiert. Alles eine Qual in der Schule, stumpfsinnig, heimtückisch, mechanisches Pauken, ein Ungenügend jagte das andere. Was blieb da anderes als die lateinische Grammatik, in deren präzise Logik», Daumen und Zeigefinger rundeten sich zum Zeichen höchster Wertschätzung, «sich der Mensch flüchten kann. Mit Cicero wandelte ich durch Tusculum. Sallust lehrte mich Zähigkeit oder Untergang imposantester Gestalten.» Er räusperte sich schamhaft, schüttelte wie vor sich selbst den Kopf, blickte wehmütig.
    «Ich, ich …»
    «Ja, was?»
    «Ich ha-be», nun auch noch ein Stottern, «es übrigens sehr bedauert, daß die Bettwäsche nach Ihrem Besuch gewechselt wurde. Menschliche Nähe ist doch so selten zu haben und kostbar. Als ich aus Salem eintraf.»
    Wenn er schon beim Sprechen unter Schweiß litt.
    «Das Internat? Dann», Klaus fiel es wie Schuppen von den Augen, «sind Sie der Sohn, ein Sohn.»
    «Sohn? Das Unter-Ich.»
    «Und Bruder von –»
    «Das Neben-Ich der Hysterikerin. Wenigstens gibt sie mir von ihren Heiterlein, schwache Opiate, Belebendes oder Beruhigendes, auch von ihrem Optalidon gelegentlich ab.»
    «Doch Opium hier.»
    «Es gab einen Michael, der mit der kleinen Elisabeth Tollkirschenkompott kochte. Es wuselte ja nur so in dem Haus. Der Hund, der sich am ausgestopften Bären rieb, Großeltern, die mit einer Büchse Kaviar sich in die Sessel sinken ließen, ein befreundeter Dirigent, der beim Eintreten einen berühmten Akkord summte, von Wagner … auf Kurzbesuch der berühmte

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