Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
Vom Netzwerk:
Worcester auch aufs Salatblatt. So verfuhr er daheim auch mit Sojasauce. Die Begrüßung und die Attacke von Gert Klüser begannen sich im Mahl aufzulösen. Listen also führten Leute wie er, Namensregister von Regimegegnern, Nicht-Nazis, die in der neuen Republik nicht zu Posten und Würden kämen … Wie unterhielten sich Betriebschefs, Juristen, Handwerker untereinander, während sie offiziell nun alliierte Demokraten waren? Unter der Oberfläche waberte ein Gestank, und es war gut, nicht hier im Lande in einer Exportfirma zu arbeiten, wenngleich in solcher Umgebung am ehesten und sinnvollsten freier Geist zu verbreiten wäre. Womöglich – doch was für ein langwieriger biologischer Vorgang! – mußte eine gesamte großdeutsch-faschistisch-herzlose Generation erst wegsterben, bevor das Land zivil würde. Klaus überschlug das Datum der zwangsläufigen Rekultivierung Deutschlands. Im Jahr 2000 würde Gert Klüser gewißlich verblichen sein, und auch auf seiner Liste würden nur noch Namen von Toten stehen. Die konnte dann in ein Museum der Republik. Auch die Katholiken und Lutheraner, die vorzeiten einander niedermetzelten, wie Eri richtig bemerkt hatte, waren irgendwann allesamt zu Erde und Staub zerfallen, und ihre Nachfahren hatten nur noch mit Schaudern auf die Besessenheit und das Morden zurückgeblickt, auf die Bäume voller Erhängter, das stumpfsinnig verwüstete Reich. Beklemmend, kein Krieg lehrte bleibend, was Krieg bedeutete.
    «Ist’s recht so?» Die Kellnerin wartete einen Moment am Tisch und schien ihre Gäste schmausen sehen zu wollen. Die beiden Herren, denen weiterhin ein Hauch von Söhnen, die man beaufsichtigen mußte, anhaftete, nickten der Gelegenheitsmutter mit vollem Mund zu. Es fehlte nur noch, daß sie Brav sagte. Doch sie vermittelte einem das Gefühl, im Herzen der Menschheit zu weilen. «Ich bring’ Ihnen noch Soße für die Kartoffeln.» Klaus nickte. Heimat. O süße Heimat! Mit deiner kruden Liebenswürdigkeit, deinen Schurken, kaputtem Schloßturm, Wellenschlag des Rheins an Kaigemäuer, Importrosinen, Lampensprüchen, Wetterleuchten vorm Fenster und der Dame mit Haarnetz, die in einer Nische einen Tee trank. Eine Dichterin? Witwe? Eine pensionierte Lehrerin, die jahrzehntelang mit ABC-Schützen Der Mond ist aufgegangen, die goldenen Sternlein prangen eingeübt hatte? Oder hier in Düsseldorf Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin ? Harry Heine, gewiß der bedeutendste Sohn der Stadt. Ein ganz klein wenig herabsetzend, wenn man selbst am Ort geboren war und viele Briefe aus Asien geschrieben hatte, die wohl gut verwahrt waren. Vielleicht würden sie eines Tages entdeckt und enthüllten Wissenswertes, Erhebliches über die Niederländer im Pazifik, die Verbundenheit mit Thomas Mann.
    Gott sei Dank konnte der Gefährte noch eine zweite Blätterteigpagode in Angriff nehmen.
    «Ich bin das Gute», sagte Klaus aus einer überbordenden allgemeinen Wallung von Wohlgefallen.
    «Nein», hörte er prompt.
    «Wieso?»
    «Gibt’s nicht. – Oft meckern», vernahm er, «feige. Vor Mutter fliehen, und überhaupt. Auch windig, aber nicht schlimm. Luftgeist ist nicht Buddha.»
    «Jetzt reicht’s aber.»
    «Dann essen», wurde befohlen. Anwar prüfte, ob ihm ein Happen Kartoffel mit Tunke schmeckte. Neben dem Tisch wurde es eng, arg eng sogar. Die Kellnerin schob sich vorbei und brachte der Teetrinkerin ein Omelett. Hinter ihr verabschiedeten sich Gäste, neue zwängten sich zu den freigewordenen Plätzen vor. Das Knäuel entwirrte sich. Nicht gänzlich. Ein Herr fand sich nicht zurecht. Die Knöpfe seines Sakkos waren lederüberzogen, der Mund war auffällig breit, fast mit einer Lippendelle wie für eine Pfeife. Er schwitzte augenfällig. Senffarbene Cordhosen. Anwar erkannte ihn. Er rührte sich nicht weg. Das verhieß nichts Gutes. Er hatte sich vorm Hotelempfang mit der Tochter gestritten. Der Fremde – und natürlich bestand diese Stadt hauptsächlich aus Unbekannten – fixierte Klaus, allerdings sehr unruhig, mit Lidzucken, schwerem Atem. Nahm eine Verschwörung, am Ende mit Gewalttaten, ihren Lauf? Unter der Achsel klemmte eine Ledermappe. Zumindest handelte es sich nicht um die abgewetzte Bertrams, sondern um eine edlere. Endlich registrierte Klaus den Lauerer. Sie tauschten angespannt Blicke aus. Klaus lehnte sich betont nonchalant zurück und hob vorsichtig abwehrend die Hand: «Mein Name ist Klaus Heuser. Ich kenne Sie nicht. Auch nicht von der Schule

Weitere Kostenlose Bücher