Königsjagd
das müssen Sie selbst zugeben. Erfindungen einer total verängstigten jungen Frau, die alles Mögliche sagen würde, um nicht nach Deutschland zurückgeschickt zu werden, wo mit Sicherheit der Henker auf sie wartet. Wußten Sie, daß Sie gezwungen würden, sich mit dem Gesicht nach oben hinzulegen, damit Sie die Axt sehen? Himmler und seine Freunde denken an alles, das müssen Sie ihnen lassen.«
Sie saß da und starrte ihn an. »Was kann ich bloß tun? Wie kann ich Sie dazu bringen, mir zu glauben?«
Im Zimmer nebenan fing das Telefon an zu klingeln. »Sie können es nicht, aber Connie Jones könnte es vielleicht. Das wird er sein. Ich habe vorhin in Madrid im Flamenco angerufen und eine Nachricht für ihn hinterlassen.«
Er lächelte leicht, ging hinaus und machte die Tür hinter sich zu. Sie hörte, daß er ziemlich lange sprach, konnte aber kein Wort verstehen. Endlich kam er wieder zurück. Er grinste und spreizte die Arme ein wenig ab. »Also, Sie haben die Wahrheit gesagt. Außerdem können Sie singen wie Billie Holliday, wenigstens Connie zufolge. Ich gebe mich geschlagen. Er möchte Sie kurz sprechen.«
Sie lief nach nebenan, und Jackson zündete sich eine Zigarette an und starrte stirnrunzelnd ins Feuer. Sie redete eine ganze Weile, und als sie zurückkam, sah sie aus, als hätte sie geweint. »Hat er Ihnen erzählt, was im Club passiert ist?« fragte sie. »Sicher. Drei angeknackste Rippen, aber er sagte, daß sein Spiel nicht darunter leidet. Sie haben sich andere Instrumente leihen können. Keine Sorge, ich werde dafür sorgen, daß ein Schlagzeug und ein Baß hier auf sie warten, wenn sie nächste Woche bei mir anfangen.«
»Aber Schellenberg?« flüsterte sie. »Warum hat er das alles getan? Ich verstehe ihn einfach nicht.«
»Ja, ich dachte auch, das sei einer der unwahrscheinlichen Teile Ihrer Geschichte - wie er Ihnen in Berlin zur Flucht verhalf. Ich meine, der Bursche hat seinen Hals riskiert, als er das machte.«
»Warum also?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht weiß er es nicht mal selbst - vielleicht mag er Sie.« Er lächelte. »Das wäre nicht schwer zu verstehen. Aber denken Sie jetzt nicht daran. Wir müssen Sie hier hinausschaffen, nur für den Fall, daß diese Schufte zurückkommen.«
»Und die portugiesische Polizei?« fragte sie. »Was ist, wenn sie beschließen, sie einzuschalten?«
»Ach, das schaffe ich schon.« Er lächelte verschmitzt. »Einige meiner besten Freunde sind Polizisten - Stammgäste des Spielsaals unten. Sie scheinen fast immer zu gewinnen, Sie verstehen, und auf diese Weise sind alle zufrieden. Jetzt ziehen Sie ihren Mantel an, wir müssen los.«
1938 hatte Schellenberg einen seiner ersten größeren Spionageaufträge bekommen. Dazu gehörte ein Besuch in Dakar, um soviel wie möglich über den damals wichtigsten französischen Flottenstützpunkt in Afrika herauszubekommen.
Er hatte die Mission großenteils in Lissabon vorbereitet, wo man ihn mit einem japanischen Geschäftsmann namens Kajiro Taniguchi zusammengebracht hatte. Zwischen beiden Männern hatte sich eine echte Freundschaft entwickelt, und Taniguchi hatte Schellenberg in vieler Hinsicht bei dem afrikanischen Abenteuer nützlich sein können. Er hatte anscheinend überall seine Finger drin, verfügte über die besten Kontakte zur lokalen Unterwelt, und Schellenberg war schon vor langer Zeit zu dem Schluß gekommen, daß er wahrscheinlich als Agent für die japanische Regierung arbeitete.
Er versuchte, Taniguchi zu Hause anzurufen, erfuhr jedoch von einem Mädchen, er sei noch im Geschäft, einer Im- und Exportfirma bei den Alcantara-Docks. Schellenberg fuhr selbst in dem Buick hin, den die Gesandtschaft ihm zur Verfügung gestellt hatte; dem Fahrer sagte er vorher, er könne sich einen lustigen Abend machen. Unter den gegebenen Umständen arbeitete er lieber allein.
Er hielt, aber die Fenster der Büroräume waren dunkel. Erst als er auf den Hof des angrenzenden Speichers fuhr, sah er in einem der oberen Fenster Licht. Er parkte und schritt zur Tür des Gebäudes. Als er sie öffnete, rief eine Stimme auf portugiesisch: »Wer ist da?«
Der Speicher war voll von allen möglichen Ballen und Kisten. Hoch oben gab es einen allseitig verglasten Büroraum, zu dem eine schmale eiserne Treppe führte, und auf dem Absatz stand Kajiro Taniguchi, ein Berg von Mann, gebaut wie ein Sumo-Ringer.
Er spähte in das Halbdunkel hinab und fing dann an, strahlend
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