Königsjagd
den Bahamas bin, und viele Leute rechnen mit der Möglichkeit, daß ich mich weigern könnte, ihn anzunehmen. Daß ich statt dessen in Portugal oder Spanien bleibe. Und das wäre der Regierung in London ein Dorn im Auge.«
»Also hat sie den Geheimdienst beauftragt, dich mit List und Tücke auf die Bahamas zu schaffen? Absurd.«
»De Alvarez schien eher zu befürchten, daß ich gar nicht erst so weit kommen würde. Eine dunkle Nacht, ein Stoß, ein Sturz über die Reling und so fort.«
»Das ist furchtbar. Wie kann er so etwas denken?«
»Nun, Wallis, du mußt immerhin zugeben, daß ich für bestimmte Leute schon seit einer ganzen Weile ein Ärgernis bin.« Er zog sie auf, und sie wußte es.
»David, es gefällt mir nicht, daß man so redet. Es ist nicht lustig, nicht nach allem, was in Frankreich passiert ist. Das werde ich nie vergessen.« Sie schauerte zusammen. »Ich bin nicht einmal sicher, ob ich noch gern hier bin. Ich sehe zu viele Polizisten.«
»Das wird sich bald ändern. Wir machen einen Ausflug. Einen Tag auf dem Land. De Alvarez hat einen Freund, der eine Stierfarm besitzt, er züchtet Kampfstiere für die Arena. Er sagt, man könnte ein paar Kämpfe für uns veranstalten, und wir könnten uns die Gegend ansehen, ein Picknick machen. Wie findest du die Idee?«
»Wunderbar.«
»Gut.« Er lächelte. »Laß uns ins Haus gehen. Es wird kühl, und ich rieche Regen in der Luft.«
Der Polizeiattache der deutschen Gesandtschaft, ein gewisser Egger, sagte sofort, er werde auf jede nur mögliche Weise helfen, nachdem Kleiber ihm vorgestellt worden war.
»Haben Sie sich etwas Bestimmtes vorgestellt, Sturmbannführer?«
»Wie gut sind Ihre Beziehungen zur hiesigen Polizei?«
»Ausgezeichnet«, antwortete Egger. »Im Augenblick herrscht in den politischen Kreisen Portugals viel Sympathie für die nationalsozialistische Bewegung.«
»Es besteht die Möglichkeit, daß diese Frau jederzeit in Portugal auftaucht. Hier ist ihre Beschreibung.«
Er schob ein Blatt Papier mit einem angehefteten Foto von Hanna über den Schreibtisch.
»Hanna Winter«, sagte Egger. »Was hat sie getan?«
»Sie hat in Berlin drei Kameraden von der Gestapo erschossen, wir wollen sie also unbedingt haben.«
»Ist sie deutsche Staatsangehörige?«
»Natürlich«, sagte Kleiber. »Aber sie reist mit einem amerikanischen Paß.«
»Das wird ihr hier nichts nützen. Nicht, wenn ich die Sicherheitspolizei über diese Tatsachen unterrichte. Sie hat Posten vor allen ausländischen Botschaften. Sie haben es sicher bemerkt, als Sie zu uns kamen. Wenn die Dame versucht, in die US-Botschaft zu kommen, wird sie festgehalten das heißt, sobald ich diese Einzelheiten durchgegeben habe.«
Als er zum Hörer griff, sagte Kleiber: »Noch etwas... der Herzog von Windsor in Estoril. Ich nehme an, jeder, der zu ihm will, muß sich ebenfalls bei der Polizei ausweisen?«
»Soweit ich informiert bin, ja«, sagte Egger.
»Gut. Ich danke Ihnen.« Kleiber erhob sich. »Sicher werden wir uns noch einmal sehen, solange ich hier bin.«
Sindermann wartete im Vorzimmer auf ihn. Er hatte ein blaues Auge, und seine rechte Wange war stark geschwollen und dort, wo das Fleisch geplatzt war, mit einem Pflasterkreuz verziert. »Alles in Ordnung, Sturmbannführer?«
»Ja. Hätte nicht besser gehen können. Die portugiesische Sicherheitspolizei wird auf die Sache angesetzt. Sobald sie irgendwo ihren Paß zeigt, gehört sie uns. Wo ist der Brigadeführer?«
»Beim Botschafter. Man hat Zimmer für uns reservieren lassen, in einem Hotel gleich um die Ecke, in dem auch Leute von der Gesandtschaft wohnen.«
»Dann wollen wir mal sehen, wie es ist. Ich habe Hunger.«
Baron Rüdiger von Krotzingen-Boerne, Gesandter des Deutschen Reichs in Lissabon, war ein ganz anderer Mann als sein Madrider Amtskollege von Strobel. Er war ein wahrer Aristokrat, kultiviert und sensibel. Außerdem war er, wie Schellenberg wohl wußte, kein Nazi. Im Auswärtigen Amt erzählte man sich übrigens oft den Witz, die Gesandtschaft in Lissabon sei großenteils mit Leuten besetzt, die ihre Stellung dort einzig und allein als Sprungbrett in die Vereinigten Staaten betrachteten, das sie benutzen würden, sobald sie ihren Mangel an politischer Überzeugung nicht mehr verbergen konnten.
Boerne studierte den Führerbefehl, den Schellenberg ihm gereicht hatte. »Selbstverständlich werde ich Sie in dieser Sache
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