Königsjagd
zu lächeln. »Walter... Walter Schellenberg«, rief er auf englisch, denn er sprach so gut wie kein Deutsch.
»Bei allem, was heilig ist! Sie kommen doch bestimmt dienstlich, oder irre ich mich?«
Schellenberg ging nach oben. »Nein, alter Freund. Sie irren sich nicht. Es geht um folgendes: Der Herzog von Windsor wohnt doch in Santo e Silvas Landhaus in Estoril.«
»Das weiß hier jedes Kind«, sagte Taniguchi. »Ich habe den Herzog und
seine Wallis erst vorgestern abend gesehen, in einem bekannten Restaurant in der Stadt.«
»Ich möchte alles über diese Villa wissen, was irgendwie interessant ist. Den Grundriß, die Dienerschaft. Wie gut die Sicherheitsmaßnahmen sind und so weiter. Es wäre natürlich fabelhaft, wenn ich im Haus selbst jemanden hätte, der mich darüber auf dem laufenden hält, wer kommt und geht. Ich möchte betonen, daß Geld in dieser Sache keine Rolle spielt. Ich verfüge über unbegrenzte Mittel. Wir können es uns leisten, jede nützliche Information praktisch mit Gold aufzuwiegen.« Er wartete. Nach einer Weile sagte Taniguchi: »Nehmen Sie einen Saki?« Schellenberg schüttelte den Kopf und hakte nach: »Könnten Sie das schaffen?«
»Aber selbstverständlich«, entgegnete der Japaner gelassen. »Ich kenne hier alle Leute, Walter - alle Leute in der Stadt, auf die es ankommt, und in Lissabon kann man mit Geld fast noch mehr erreichen als sonstwo, glauben Sie mir.«
»Wann werden Sie etwas für mich haben?«
»Morgen nachmittag. Sagen wir gegen zwei. Aber nun zu Ihnen, mein Freund. Sie sind schon Brigadeführer, wie ich höre - mit dreißig Jahren. Alle Achtung.«
»Ich habe Glück gehabt.«
»Sind Sie auch glücklich, Walter?«
»Glücklich?« sagte Schellenberg. »Ich weiß nicht mal, was das Wort bedeutet. Wie würden Sie es definieren? Wie findet man Glück?«
»Indem man nicht danach sucht. Indem man still sitzt und nicht nach draußen geht, lernt man vielleicht die Welt kennen. Vielleicht sieht man die Wege der Vorsehung, ohne aus dem Fenster zu blicken. Je weiter wir gehen, um so weniger wissen wir.«
»Ist das japanische Philosophie?«
»Nein, eher chinesische. Glauben Sie, Sie werden den Krieg gewinnen?« wechselte er dann das Thema.
»Bedenken Sie die Tatsachen«, antwortete Schellenberg. »Wir kontrollieren einen größeren Teil Europas, als Napoleon es seinerzeit tat. Die meisten übriggebliebenen neutralen Länder stehen mehr oder weniger auf unserer Seite, und Amerika will sich offensichtlich heraushalten. Aus unseren Londoner Quellen entnehmen wir, daß der amerikanische Botschafter, Joseph Kennedy, einen deutschen Sieg für gewiß hält und daran denkt, seinen Posten aufzugeben.«
»Sie glauben also, die Panzer würden bald die Mall entlangrollen, zum Buckingham-Palast?«
»Es liegt an den Briten. Der Führer hat unmißverständlich klargestellt, daß er bereit ist, sich mit einem Waffenstillstand zufriedenzugeben.
Natürlich ist es möglich, daß sie es darauf ankommen lassen. Aus irgendeinem verrückten Grund wollen sie das meist.«
»Das bringt mich auf eine andere chinesische Weisheit«, sagte Taniguchi. »Wenn Menschen keine Angst vor dem Tod haben, hat es keinen Sinn, ihnen zu drohen.«
Schellenberg stand auf. »Ich muß jetzt gehen. Ich melde mich morgen wieder.«
Er ging die Eisentreppe hinunter. Der Japaner rief ihm leise nach: »Mein armer Walter, einer muß immer den Henker spielen. Schade, daß Sie es diesmal sein müssen.«
10
Abwehr-Agent A 1416, über den Canaris und Schellenberg bei ihrem Spaziergang im Tiergarten gesprochen hatten, war ein deutscher Industrieller namens Erich Becker, jetzt naturalisierter Portugiese. Seine geschäftlichen Aktivitäten waren ziemlich breit gefächert, führten ihn in viele Länder und warfen so viel Gewinn ab, daß er sorglos davon leben konnte; dazu kam nicht allein der Sold der Abwehr, sondern auch noch Gelder vom britischen Geheimdienst. Er hatte eine luxuriöse Wohnung unweit vom Jeronimo-Kloster, mit einem herrlichen Blick auf den Tejo. Er war nicht verheiratet, konnte sich also ungeniert mit allen möglichen Frauen amüsieren. Und so war er auch nicht allein im Bett, als es an der Tür klingelte. Er versuchte, die Störung zu ignorieren, aber der unbekannte Besucher wollte einfach nicht gehen. Er zog einen Morgenmantel an und küßte das Mädchen neben sich. »Ich mache ganz schnell, Liebling«, sagte er.
Er
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