Königskind
Imbiß abzumachen.
»Mein Freund«, sagte sie, die Waffel in der Hand, »kennen Sie den Herzog Bellegarde?«
»Ich kenne ihn«, sagte ich, »aber nicht näher, dafür sind wir zu verschiedenen Alters. Ich bin ihm oft begegnet, als ich dem
seligen König als Dolmetsch diente.«
»Und mögen Sie ihn?«
|213| »Ich schätze ihn sehr, weil er unserem Henri zu Lebzeiten so treu war, wie er es nun seinem Gedächtnis ist.«
»Bassompierre besuchte mich heute morgen ausdrücklich, um mir zu sagen, daß Herzog Bellegarde Sie dringend sprechen möchte,
aber unter vier Augen und vollständig geheim.«
»Warum vollständig geheim?« fragte ich.
»Bellegarde wird, wie er sagt, Tag und Nacht ausspioniert und steckt in den Netzen einer abscheulichen Intrige, durch die
er alles verlieren kann. Und weil er sich schon ganz umsponnen fühlt, will er niemanden da mit hineinziehen, der ihm helfen
könnte. Helfen Sie ihm?«
»Tausendmal ja! Bellegarde ist ein höchst ehrenwerter Mann, so unbesonnen er auch sei.«
»Ist er das?«
»Oh, meine Liebe! Einen Strohkopf wie ihn gibt es kein zweites Mal! Wissen Sie, daß er es gewagt hat, sich der schönen Gabrielle
in die Arme zu werfen, als sie die Geliebte des seligen Königs war? Und wäre der König nicht so gutmütig gewesen und hätte
er Bellegarde nicht so sehr gemocht, hätte der seinen Kopf mit dem bißchen Verstand leicht verloren. Trotzdem, das Herz ist
gut, und er wird allseits geachtet.«
»Ist es nicht ein wenig abenteuerlich, einem Toren Hilfe zu leisten?«
»Dann muß ich eben besonnen sein für zwei.«
Hierauf verstummte ich eine Weile, die Augen auf der Waffel, die meine Schöne mit ihren schönen Händen soeben für mich bereitete.
Da Bellegarde wie ich im Louvre wohnte, wäre es ein leichtes gewesen, uns dort zu treffen. Aber wenn es andererseits stimmte,
daß Bellegarde ausspioniert wurde, war die Überwachung seiner Schritte gerade im Louvre am schwierigsten zu überlisten.
»Nun, mein Freund, Sie schweigen?« fragte Frau von Lichtenberg. »Was kann ich meinerseits tun? Wollen Sie Bellegarde in meinem
Hause sprechen?«
»Keinesfalls, meine Freundin! Es wäre unklug, wenn Sie als Ausländerin, ohne Unterstützung bei Hofe und folglich so verletzlich,
in eine Angelegenheit verwickelt würden, in der ich allerhand Gefahren wittere. Sagen Sie nur Bassompierre, ich werde ihm
meinen kleinen La Barge schicken, um Bellegarde einen geheimen Treffpunkt zu nennen.«
|214| Nun, schöne Leserin, den Ort dieses Treffens hatte ich im Geiste schon gewählt, doch wollte ich sogar meiner Gräfin nichts
davon sagen. Nicht, daß ich ihr nicht vollkommen vertraute, aber ich frage Sie, hätten Sie aus dem Munde Ihres Liebhabers
hören mögen, daß er sich mit einem Grandseigneur im Hause des Finanziers Zamet verabreden wolle?
Zugegeben, dieses Haus war der Luxus selbst und der Finanzier Zamet der reichste Mann Frankreichs, aber sein Haus war nicht
nur eine Art Schenke, wo man besser als irgendwo sonst in Frankreich trank, und eine fürstliche Spielhölle, wo der erste Einsatz
nicht unter hundert Ecus ausfiel, es hatte auch prächtige Zimmer, wo die Großen dieser Welt – wie zu seinen Lebzeiten auch
unser guter König Henri – nach einer Würfelpartie und einem guten Mahl sich mit Geschöpfen verlustieren konnten, deren Preis
so hoch war wie ihre Tugend gering.
Zamet war ein kleiner untersetzter Mann, der außer blanken schwarzen Wieselaugen nichts Bemerkenswertes an sich hatte. Er
kannte mich gut, weil er mich in Gesellschaft des seligen Königs oft bei sich gesehen hatte, denn Henri hielt mich, wie man
sich erinnern wird, für sein unschuldiges Maskottchen, weil ich selbst kein Spieler war. Und beim ersten Wort, das ich zu
Zamet sagte, hieß er mich zuerst schwören, daß es sich um kein Komplott gegen die Regentin handele, dann sagte er in seiner
hurtigen Art: »Herr Chevalier, kommt zu dritt: das blaue Zimmer, das angrenzende Kabinett und Zohra bürgen Euch für das geheimste
Gespräch.«
»Und wer ist Zohra?«
»Eine schöne Maurin, die ich Euch vorstellen werde. Sie versteht kein Wort Französisch.«
»Und wozu das angrenzende Kabinett?«
»Von da hat man durch ein verborgenes Guckfenster einen vergnüglichen Blick auf das Bett im blauen Zimmer. Und will man ohne
Ohrenzeugen unter vier Augen sprechen, ist es der bestgeeignete Ort der Welt, denn wenn das kleine Guckfenster geschlossen
ist, hört man aus dem blauen
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