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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Spanier?«
    »Nein, Sire, für einen Italiener!« sagte Monsieur de Souvré, der, so beherrscht er sonst war, nicht umhinkonnte, eine grimmige
     Grimasse zu schneiden. »Wie Ihr wißt, Sire, ist der Marschall de Fervaques gestorben.«
    »Ich weiß, und es tut mir sehr leid.«
    »Und die Königin Eure Mutter, Sire, hat den Marquis von Ancre in die Würde eines Marschalls von Frankreich erhoben.«
    |207| »Der Marquis von Ancre und Marschall von Frankreich!« rief Ludwig. »Aber er ist doch Ausländer!«
    »In der Tat, Sire.«
    »Und hat nie Waffen getragen.«
    »In der Tat, Sire.«
    »Und war nicht Euch, Monsieur de Souvré, von der Königin meiner Mutter der Marschallstab versprochen worden?«
    »In der Tat, Sire.«
    »Als Lohn für Eure Tapferkeit im Heer meines königlichen Vaters?«
    »In der Tat, Sire«, sagte Monsieur de Souvré so blaß, als wäre er dem Tod nahe. Und mit einer heroischen Anstrengung, seine
     Loyalität gegenüber der Regentin erneut zu bekräftigen, fuhr er fort: »Indessen, Sire, tut die Königin Eure Mutter nichts
     ohne große Besonnenheit.«
    »Dessen bin ich sicher«, sagte Ludwig, der dessen alles andere als sicher war.
    Die Anwesenden – und an jenem Morgen waren viele in den königlichen Gemächern – schienen in Schweigen erstarrt, und um weder
     Monsieur de Souvré noch einander ansehen zu müssen, blickten alle zu Boden, als fürchteten sie, man könnte ihnen ihre Entrüstung
     vom Gesicht ablesen. Sofern sie nicht überhaupt wünschten, keine Ohren zu haben, zu hören, was sie gehört hatten, keinen Verstand,
     es zu verstehen, und keine Zunge, es zu wiederholen. Regungslos und stumm standen sie. Und um sie strichen die Engel der höfischen
     Heuchelei.
    Aber der zwölfjährige König hatte – nicht, weil er der König, sondern weil er ein Kind und ein so straff am Gängelband gehaltenes
     Kind war –, das Recht, Fragen zu stellen, und das tat er, ernsthaft, aufmerksam und sozusagen naiv.
    »Monsieur de Souvré«, fuhr er fort, »warum muß ich dem neuen Marschall dieses Kompliment machen?«
    »Sire, weil der Marquis heute um zehn Uhr bei der Königin Eurer Mutter vor Euch den Eid des Marschalls von Frankreich ablegen
     und Euch seiner loyalen Dienste versichern wird.«
    »Und was soll ich sagen?«
    »Sire, den folgenden Satz hat man mich beauftragt, Euch zu lehren.« Und es war meines Wissens das erstemal, daß Monsieur de
     Souvré eine gewisse Distanz zu dem Text ausdrückte, den er dem König in den Mund legen sollte: »›Mein Cousin, |208| ich erwarte mir Gutes von Euren Diensten und danke Euch für Eure Bereitwilligkeit.‹«
    »Mein Cousin?« fragte Ludwig. »Warum soll ich den Marquis von Ancre meinen Cousin nennen?«
    »So ist es Brauch, Sire. Ein Marschall von Frankreich steht über dem Adel, deshalb nennt der König ihn ›mein Cousin‹, und
     alle übrigen haben ihn mit Exzellenz anzureden.«
    »Sogar die Herzöge und Pairs?«
    »Sogar sie, Sire.«
    Ludwig lächelte leicht, als bezweifelte er, daß jene sich einem so gering Geachteten gegenüber dieser Pflicht so ohne weiteres
     beugen würden.
    »Gut, Monsieur de Souvré!« sagte er mit seiner üblichen Entschlossenheit, »lernen wir den Satz, da es denn sein muß! Beliebt
     es Euch, ihn zu wiederholen?«
    Nicht ohne Überwindung wiederholte Monsieur de Souvré den Satz, und nicht ohne Verdruß und fast mit einer Miene, als gälte
     es, die Abführtränke des Doktors Héroard zu schlucken, lernte Ludwig ihn auswendig.
     
    Es war ein sehr glücklicher Umstand, daß das riesige Bett im Zimmer der Königin durch ein Geländer aus massivem Silber abgeschirmt
     war, das nur von Prinzen und Herzögen durchschritten werden durfte. Der Andrang der Höflinge in dem Zimmer war nämlich so
     groß und so stürmisch, daß die königliche Bettstatt sonst nicht verschont worden wäre. Man mußte die Gardehauptleute rufen,
     um die Höflinge zurückzudrängen und dem Marquis von Ancre eine Gasse zu bahnen, welcher mit gerecktem Kinn hereintrat, prächtig
     in Seide gewandet und mit Edelsteinen geschmückt, die auch am Gehänge des kostbaren Degens blitzten, den er zur Seite trug
     – nur daß er diesen Degen nie zur Verteidigung Frankreichs gezogen hatte, nicht einmal zu der seines fernen Vaterlandes, denn
     verrufen, wie er war, hatte Concini sich in Florenz vor allem auf den Brettern der Komödie (wo er die weiblichen Rollen spielte),
     in den Alkoven beider Geschlechter, in Kneipen, Bordellen und infolge seiner Schulden

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