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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Ressentiment ihnen gegenüber trat mir drei oder vier Tage darauf klar zutage, als Monsieur de Blainville ihm nach dem
     Mittagessen berichtete, er habe Befehl von der Regentin, die Gardekompanie kriegsmäßig zu bewaffnen, wenn sie den König aus
     Paris hinaus zur Jagd begleite.
    Ich hatte für Monsieur de Blainville nicht viel übrig, weil ich ihn verdächtigte, Ludwig im Auftrag der Königin auszuspionieren,
     und jenen Befehl fand ich ob seiner Dummheit geradezu komisch, denn weit entfernt, sich bis nach Paris zu wagen, um den König
     in seine Gewalt zu bringen, hatte der Prinz Condé, als er hörte, daß die königlichen Heere in der Champagne um sechstausend
     Schweizer verstärkt worden waren, die Stadt Soissons, wo er mit den Gesandten der Königin in Friedensverhandlungen stand,
     umgehend verlassen und sich mit seinen wenigen Truppen vorsichtig nach Sainte-Menehould zurückgezogen. Was für mein Gefühl
     wenig Angriffslust und Tapferkeit bezeugte und wahrlich keinen Anlaß bot, von seiner Seite ein so abenteuerliches Unterfangen
     wie die Entführung des Königs zu befürchten.
    Mag sein, daß Ludwig von Condés Rückzug nach Sainte-Menehould noch nichts wußte, denn sein Verdruß über jenen Befehl hatte
     nichts mit dessen Unsinnigkeit zu tun, sondern mit einem ganz anderen Grund.
    »Warum?« fragte er lebhaft. »Wenn das Volk von Paris das sieht, wird es denken, ich habe Angst. Ich habe aber keine Angst
     vor den Prinzen!«
    Worauf Blainville, dem es nicht an Schlagfertigkeit mangelte, sagte: »Sire, ich denke, das Volk von Paris wird sich sehr freuen,
     wenn es sieht, wie sorglich wir die Person Seiner Majestät schützen.«
    Das leuchtete dem König offenbar ein, denn nach kurzer Überlegung sagte er: »Gut, aber sagt den Männern, sie sollen die Waffen
     beim Auszug und beim Einzug in die Stadt unterm Mantel halten.«
    Mühelos konnte ich mir vorstellen, wie Ludwig über die Verhandlungen mit den Großen dachte, die im Ministerrat besprochen
     wurden: denn dort fragte man sich, wie viele Hunderttausende Ecus jedem einzelnen wohl noch bewilligt werden müßten, bis sie
     sich bequemten, zur Pflicht zurückzukehren. Todsicher hatte Ludwig Mühe, seinen Ärger hinunterzuschlucken. |249| Er, der so gerne ein Soldatenkönig gewesen wäre wie sein Vater, mußte verzweifelt sein, daß er nicht, wie er wollte, über
     Soldaten verfügen konnte, deren Anführer er war. In welcher inneren Verfassung er war, läßt sich daraus erkennen, wieviel
     Zeit er fast täglich mit militärischen Übungen zubrachte, die er entweder seinen kleinen Edelleuten oder seinen Garden befahl.
    Eine in dieser Hinsicht eindrucksvolle Szene kommt mir in den Sinn. Am zweiundzwanzigsten April war ich mit Monsieur de Souvré,
     Hauptmann Vitry und Doktor Héroard in seiner Gesellschaft, als Ludwig um Schlag drei Uhr seine Karosse bestieg und den Louvre
     verließ. Der Kutscher schien seine Befehle im voraus erhalten zu haben, und zweifellos wußten auch Souvré und Vitry, wohin
     wir fuhren, nur ich, der wie Héroard erst in letzter Minute dazu aufgefordert worden war, kannte unser Ziel nicht. Trotzdem
     wurde es mir klar, je länger wir über die Pflasterstraßen der Hauptstadt stuckerten.
    Die Karosse fuhr über den Pont-Neuf, in die Rue Dauphine (›meine Straße‹, sagte Ludwig nicht ohne Bewegung, da Henri Quatre
     die von ihm gebahnte Verlängerung des Pont-Neuf seinem Dauphin zu Ehren so getauft hatte), und nachdem wir die Porte de Buci
     hinter uns hatten, ging es zweimal rechterhand bis auf die Rue de Seine, die zum Pré-aux-Clercs führte, einem weiten Gelände,
     das vor allem durch blutige Duelle unter Edelleuten oder durch Schlachten zwischen rivalisierenden Banden berüchtigt war.
    Zur Stunde aber sah man dort nur die Gardebataillone im Geviert, während das Volk, das sich üblicherweise an diesem Ort erging
     (denn es war schönes Wetter), gedrängt am Rande stand, gaffte und klatschte. Als die Karosse hielt, brachte ein Gardist für
     Ludwig eine weiße Stute am Zügel und einen Braunen für Hauptmann Vitry. Im Nu saß Ludwig auf und galoppierte vor der Front
     mit einer Meisterschaft und Gewandtheit, die seinem Reitlehrer alle Ehre machten. Ich blieb mit Souvré und Héroard in der
     Karosse sitzen und langweilte mich, offen gestanden, zu Tode, mir fehlte jeder militärische Sinn. Trotzdem ließ ich Ludwig
     nicht aus den Augen, der ganz bei der Sache schien, bald von einem Bataillon zum anderen sprengte und mit den

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