Königskind
dünnes Lächeln erheiterte sein tausendfaltiges Gesicht. Amboise
wurde Condé gegeben, aber nur leihweise und bis zur Einberufung der Generalstände. Auf diese Weise blieben Frankreichs Interessen,
Gott sei Dank, grundsätzlich gewahrt.«
* * *
|254| In jenem Jahr war der achtundzwanzigste Juni derart glühend und dürr, daß ein jeder in Paris darunter litt, zumal es, wie
ich mich erinnere, seit fünf Monaten nicht geregnet hatte. In den Gärten riß das Erdreich, so brannte die Sonne, und Katastrophenprediger
prophezeiten von den Kanzeln herab, die Erde werde sich in eine Glutstätte verwandeln, in der wir alle zur Strafe für unsere
Sünden schmoren müßten.
Sogar im Leinenwams und ohne daß ich mich von der Stelle rührte, schwitzte ich, daß mir dicke Tropfen über die Wangen liefen,
und wenn ich die königlichen Gemächer betrat, sah ich jeden dort völlig abgeschlagen und in gleicher Verfassung. Doktor Héroard
sagte, infolge der unmäßigen Hitze habe der König kaum geschlafen, um zwei Uhr nachts sei er, dem Ersticken nahe, erwacht,
und erst, als er am Fenster die nächtliche Kühle atmete, sei ihm besser geworden.
In dem Moment kehrte Ludwig völlig verschwitzt von der Messe zurück und bat Berlinghen um frische Kleider.
Gereinigt, getrocknet und neu eingekleidet, forderte er mich auf, ihn zu Madame zu begleiten, er wolle ihr, wie er sagte,
ein Bild des heiligen Irenäus bringen, das der Pfarrer von Saint-Germain-l’Auxerrois ihm geschenkt hatte. Und als wir unterwegs
allein waren, sagte er: »Sioac, ich möchte, daß Ihr mich auf der großen Reise in den Westen begleitet, die ich am ersten Juli
mit meiner Mutter antrete.«
»Es wird mir eine große Ehre sein, Sire.«
»Und ich möchte, daß auch der Marquis, Euer Vater, mit uns reist, ich habe Fragen an ihn über Blois.«
»Sire«, sagte ich, indem ich meine Verwunderung so gut es ging verbarg, »auch mein Vater wird sich durch Eure Einladung sehr
geehrt fühlen.«
»Ich denke, er wird seine Karosse nehmen wollen und daß Ihr bei ihm Platz findet, ebenso der Chevalier de La Surie.«
Und wieder war ich verwundert, aber diesmal, weil Ludwig den Chevalier de La Surie nannte, den er doch nie gesehen hatte.
Aber vielleicht wußte er durch Héroard, welche große Rolle Miroul von jeher im Leben meines Vaters spielte. Wie dem auch sei,
es bewegte mich sehr, daß er ihn erwähnt hatte, und freute mich im voraus über das Glück des Chevaliers, wenn er hörte, daß
der König ihn beim Namen kannte.
»Sioac«, fuhr Ludwig fort, »ich fahre heute nachmittag nach |255| Saint-Germain-en-Laye, Ihr müßt Euch aber nicht verpflichtet fühlen, mich zu begleiten. Ihr habt sicher Vorbereitungen für
die Reise zu treffen.«
»Ich sage Euch tausend Dank, Sire. Darf ich fragen, wie lange die Reise in den Westen dauern wird?«
»Wie ich höre, gute zwei Monate«, sagte er.
Damit reichte er mir seine Hand zum Kuß und gab mir Urlaub. Ich verließ ihn mit gemischten Gefühlen, über die ich mich aber
nicht aufhalten will, der Leser hat sie bei dieser Nachricht sicher schnell erraten.
Ich eilte oder sprengte vielmehr in die Rue du Champ Fleuri, und kaum im Hause, fiel ich meinem Vater und La Surie um den
Hals, überzeugt, daß ich ihnen ungetrübte Freude bringen würde.
Ich irrte mich nicht. La Surie erblaßte, lief rot an, wankte und wäre, glaube ich, noch ohnmächtig geworden, hätte mein Vater
ihm nicht rasch ein Glas Wein eingeflößt.
»Wie!« sagte er, sobald er die Sprache wiederfand, »der König kennt mich! Mich! Er weiß meinen Namen! Weiß, wer ich bin!«
»Was gibt es daran zu staunen?« sagte mein Vater. »Habt Ihr nicht wie ich und treulich an meiner Seite unserem Henri gedient?
Und wißt Ihr nicht, daß Ludwig die alten Gefährten seines Vaters eifrig zählt und registriert? Wie könnte er da den Marquis
de Siorac nennen, ohne im selben Atemzug den Chevalier de La Surie zu nennen, seinen lebenslangen Freund, seinen Bruder, sein
alter ego?«
Bei dieser Ehrung überlief es La Surie abermals rot, er goß sich ein zweites Glas Wein ein.
»Möschjöh le Chevalier«, sagte Mariette, die mit einer Kammerfrau ins Zimmer trat (es war Louison, die bei meinem Anblick
errötete), »ich deck den Tisch zum Mittageschen. Ihr tut Euch keinen guten Dienscht, vorm Braten noch zu trinken: das verdirbt
Euch den Gaumen.«
»Jaja, Gevatterin«, sagte La Surie gutgelaunt, »und ich kenn eine, die sich durch zuviel
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