Königskind
sorgfältig zu
verheimlichen trachtete. Wer diese Personen waren, konnte ich aber nie mit Gewißheit feststellen, auch nicht, als der König
wirklich König geworden war und keinen Grund mehr hatte, auf so unbedingter Geheimhaltung zu bestehen – eine machiavellistische
Tugend, die er nach dem Tod seines Vaters im zartesten Alter notgedrungen gegen die mütterliche Bevormundung entwickelt hatte.
Ich war also auf Vermutungen angewiesen, wer jene sein mochten, die ihn, bei leichtem Zugang zu ihm, ohne jedes Aufsehen mit
Informationen versahen, die man ihm verbergen wollte.
Bei Doktor Héroard, der Ludwig grenzenlos ergeben war (auch wenn er ihn, wie mein Vater behauptete, nicht sehr gut behandelte,
weil er Mißbrauch mit Abführmitteln und Klistieren trieb), verstand sich dies gewissermaßen von selbst, und der Abstand, den
Héroard von Anfang an zwischen uns geschaffen hatte, bestätigte mich in dieser Annahme. Auch Monsieur de Souvré konnte zu
ihnen gehören. Seine Treue gegenüber der Regentin war meines Erachtens eher vorgetäuscht, vor allem seit sie ihr Versprechen
ihm gegenüber gebrochen und statt seiner den Concini zum Marschall ernannt hatte. Der Vogelsteller Luynes, dem Ludwig in seiner
steten Begierde nach Liebe eine außerordentliche Freundschaft entgegenbrachte, hatte beste Gelegenheiten, da er ihn fast täglich
auf der Jagd sah, ihm mitzuteilen, was er oder seine beiden Brüder, Brantes und Cadenet, in den Korridoren des Louvre gehört
hatten. Wie ich mehrmals beobachtete, scheute sich auch Bellegarde nicht, lange und in aller Öffentlichkeit dem König ins
Ohr zu sprechen, der, so gleichmütig er sich dabei gab, ihm doch aufmerksam lauschte. Ich bin mir sicher, daß der Herzog,
der in nichts etwas Schlimmes sah, dies ganz unschuldig tat (auch ebenso straflos, weil er zu hoch stand, um für seinen Unbedacht
büßen zu müssen), immerhin jedoch gehörte er zum Rat der Regentin, und wenn er von den dort erörterten Dingen auch wenig verstand,
konnte Ludwig, wenn er ihm lauschte, doch das Wichtige vom Nebensächlichen unterscheiden.
Daß Ludwig noch andere Informationsquellen hatte als |247| mich, machte mich durchaus nicht eifersüchtig, sondern im Gegenteil nur froh, weil ich mir überdies sicher war, daß er, so
wie er mich auf eine Zeichensprache verpflichtet hatte, den beständigen, geheimen Fluß seiner Quellen zu organisieren wußte,
so daß er, wenn er alles Gehörte zusammennahm, seine Kenntnislücken aufzufüllen und die Bedeutung eines Ereignisses ziemlich
gut zu erfassen vermochte, nachdem ihm die bloßen Tatsachen zur Kenntnis gebracht worden waren.
Den Beweis dafür erhielt ich einige Wochen nach dem Besuch des Präsidenten De Thou, um genau zu sein, am Abend des siebenten
April 1614, als Ludwig der Königin soeben einen kurzen protokollarischen Besuch gemacht und sie es unterlassen hatte – aus
Dummheit, meine ich, denn die Nachricht ging bereits im ganzen Louvre um –, ihm den Tod des Konnetabels Montmorency mitzuteilen.
Minuten später erschien Bellegarde und unterrichtete den König. »Das tut mir sehr leid«, sagte Ludwig, dann fügte er, aber
so, als spräche er zu sich selbst, eine bedeutungsschwere Überlegung hinzu: »Um dieses Amt werden sich viele bewerben. Aber
man darf es keinem geben.«
Diese Bemerkung bewies, daß Ludwig tatsächlich vieles wußte: wie strikt ablehnend sein Vater zum Konnetabelamt gestanden hatte,
weil es seinem Träger eine Macht, fast so groß wie die königliche, einräumte; daß Heinrich III. es bereits dem Herzog von
Guise verweigert hatte, obwohl der es von ihm gewissermaßen mit dem Messer an seiner Kehle einforderte; daß Henri Quatre es
dem Herzog von Montmorency schließlich nur gegeben hatte, um ihn aus dem Languedoc, wo er sich wie ein Vizekönig aufspielte,
fortzulocken, und ihn damit aber auch erst in einem Alter an den Hof holte, als sein körperlicher und geistiger Verfall ihn
ungefährlich machten; daß Ludwig durchaus wußte, wie emsig die Herzöge Guise und Épernon, die der Regentin die Treue hielten,
nach diesem hohen Amt strebten; und schließlich, daß er diesen beiden ebensowenig vertraute wie den revoltierenden Prinzen
von Mézières, denn seine grundsätzliche, unverrückbare Gegnerschaft zu den Großen hatte sich bereits mit einer Stärke in ihm
festgesetzt, die auch in seiner späteren Herrschaft durch nichts erschüttert werden sollte.
* * *
|248| Sein
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