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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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aß, »wie kann man jede Nahrung verweigern, wenn man Hunger hat?«
    »Weil man vor Kummer keinen Appetit hat«, sagte Ludwig.
    »Aber wenn das kleine Wildschwein groß geworden wäre«, sagte Chrétienne, »wäre es dann nicht selber gegessen worden?«
    »Überhaupt niemals!« schrie Madame entrüstet.
    »Madame«, sagte Ludwig zu ihr, »es ziemt sich nicht, am Tisch des Königs zu schreien.«
    »Ich bitte um Vergebung, Sire«, sagte Madame errötend.
    »Schon gut«, sagte Ludwig, indem er seine Hand rasch auf Madames Patschhand legte. »Meine Kinder«, sagte er und stand auf,
     »das Diner ist beendet! Jetzt kommen die Geschenke! Ich habe in Saint-Germain einige Kleinigkeiten für Euch eingekauft. Monsieur
     de Berlinghen, wollt Ihr sie uns bringen?«
    »Sofort, Sire«, sagte Monsieur de Berlinghen, der nur darauf wartete, geschenkebeladen zu erscheinen wie ein Esel mit Reliquien.
    Während die Geschenke nun in protokollarischer Reihenfolge überreicht wurden an Monsieur, an Madame, an Chrétienne und Henriette,
     fiel mir etwas ein, was ich Ihnen, meine Leser, doch nicht vorenthalten möchte. Zwei Wochen zuvor hatte die Regentin von den
     riesigen Summen, die der Rechnungshof ihr zur Verfügung gestellt hatte, Ludwig in aller Feierlichkeit sehr teure Diamantringe
     zum Geschenk gemacht. Damit wollte sie den schändlichen Gerüchten entgegentreten, die der Prinz Condé über ihren angeblichen
     Vorsatz, den König zu vergiften, ausgestreut hatte.
    Diese prunkvollen Gaben bereiteten Ludwig aber nicht die geringste Freude. Zum ersten, weil er für Luxus und Schmuck nichts
     übrig hatte. Zum zweiten, weil er sehr wohl verstand, daß hinter dieser ungewöhnlichen Großzügigkeit etwas anderes steckte.
     Das trat beim Empfang der Ringe zutage, als er die Etuis öffnete und sofort wieder mit den verlegenen Worten schloß: »Madame,
     das ist zuviel für Uns!« Und als er sich bedanken mußte, tat er es mit kalter, gezwungener Stimme. |243| Ludwig hatte nur zu deutlich gefühlt, wie wenig Liebe hinter diesen Gaben stand, die außerdem mehr dem Geschmack der Spenderin
     entsprachen als dem des Empfängers.
    An diese peinliche Szene dachte ich und hatte noch jenes: »Madame, das ist zuviel für Uns« im Ohr, während ich zusah, wie
     der König seine kleinen Geschenke an die Kinder verteilte. Der jubelnden Freude, mit der ein jedes das seine auspackte, entnahm
     ich, daß all diese Gaben, auch wenn sie zusammen nicht mehr als vierzig Ecus gekostet haben mochten, sorgfältig ausgesucht
     worden waren, um die Wünsche des Bruders oder der Schwestern zu erfüllen.
    Chrétienne und Henriette bekamen Puppen, beide gleich aussehend, aber die eine in Blau, die andere in Rosa, damit man sie
     auseinanderhalten und ebensogut auch tauschen konnte. Ihre höfischen Kleider ließen nichts zu wünschen übrig: Reifröcke und
     Baskinen aus reiner Seide, große, im Nacken aufgestellte Spitzenkragen, zu den Reifröcken passende Seidenschuhchen, echte
     Haare, nach Florentiner Mode aufgesteckt, wie ihre Mutter sie trug.
    Der Herzog von Orléans erhielt ein Taschenmesser aus Moustiers mit zwei Klingen und einem mit Silbersternen eingelegten Fayencegriff.
     Und Madame (die darüber rot wurde vor Glück) ein Schminkkästchen aus Ebenholz, das alles enthielt, um Herzen zu knicken: Reispuder,
     Rouge, Augenschwarz, Mouchen, was weiß ich noch! Begleitet jedoch von der ausdrücklichen Mahnung, damit vorerst nur die Puppen
     anzumalen, weil es für sie selbst noch nicht Zeit sei, sich zu schminken.
    Die Freude war groß. Die Kinder zwitscherten »Vielen Dank« und »Tausend Dank, Papachen« und umringten Ludwig, der ernst und
     würdevoll rundum Umarmungen und Küsse austeilte, bis steif und verkniffen Madame de Montglat erschien, um Monsieur und die
     beiden kleinen Schwestern in der Karosse nach Saint-Germain-en-Laye zurückzubegleiten. Von den Kindern Frankreichs durfte
     nur Madame im Louvre wohnen, ein Vorrecht, das sie ihrem Alter und ihrer politischen Rolle als Verlobte des Infanten verdankte.
    Als Ludwig mit ihr allein blieb, wirkte er glücklich über das kurze Beisammensein, bevor der Präsident De Thou eintrat. Doch
     war seinen schönen schwarzen Augen gleichzeitig einige |244| Schwermut abzulesen, wie wenn er in Gedanken schon den Moment voraussah, da die Pyrenäen ihn auf immer von dieser geliebten
     Schwester trennen würden.
    Die Begegnung des Königs mit Präsident De Thou war kurz, aber meines Erachtens bedeutsam für jeden, der

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