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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Großjährigkeit gelangt, will ich Euch an diesem Orte verkünden, daß ich,
     volljährig nunmehr und mit gutem Rat, mein Reich barmherzig und gerecht zu regieren gedenke. Ich erwarte von allen meinen
     Untertanen den Respekt und Gehorsam, die sie der souveränen Macht und der königlichen Autorität schulden, welche Gott in meine
     Hände gelegt hat. Sie dürfen auch von mir den Schutz und die Gnade erhoffen, die man von einem guten König erwarten kann,
     der in allen Dingen ihr Wohl und ihre Ruhe will. Welches meine Absichten sind, möget Ihr umfänglicher der Rede des Herrn Kanzlers
     entnehmen.«
    Der zweite Teil seiner Rede, der kürzer war als der erste und diesem widersprach, wandte sich an seine Mutter, und diesmal,
     davon bin ich überzeugt, gab Ludwig die auswendig gelernte Lektion nicht freien Herzens wieder, weil er in den vier Jahren
     seit dem Tod seines Vaters die Politik der Regentin sehr kritisch verfolgt hatte und auch sehr argwöhnisch geworden war gegen
     ihre stille, aber hartnäckige Absicht, ihn der Macht fernzuhalten, solange sie konnte.
    »Madame«, sprach er, »ich danke Euch für die große Mühe, die Ihr statt meiner auf Euch genommen habt. Ich bitte Euch, weiterhin
     zu regieren und zu befehlen wie zuvor. Ich will und meine, daß Euch in allem und überall gehorcht werde und daß Ihr in meiner
     Abwesenheit das Oberhaupt meines Rates sein sollt.«
    Ich weiß nicht, welcher Minister den Text für Ludwig verfaßt hatte. Aber ob es Sillery war oder, wie ich eher vermute, Villeroy
     – der Autor dieser kleinen Rede muß die Ironie ausgekostet haben, der Königin von Ludwig sagen zu lassen, sie solle ›in seiner
     Abwesenheit das Oberhaupt seines Rates‹ sein, während sie es doch ebenso in seiner Gegenwart war und alles entschied, ihn
     nie um seine Meinung fragte, ja, ihm in einem Streit mit Condé sogar den Mund verbot.
    |291| Diese feierliche Erklärung, deren eigentlicher Zweck ihrem scheinbaren Ziel – der Emanzipierung des Königs – ganz entgegenstand,
     verlief unendlich redselig und speichelzehrend mit stundenlangen Ansprachen der Minister und Parlamentspräsidenten und dauerte
     von zehn Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags. Mein armer Ludwig, dem die Ohren fünf endlose Stunden mit unnützem Gerede vollgetönt
     worden waren, hatte nur eines im Sinn, als er danach in den Louvre kam: schlafen. Und das tat er, ohne auch nur zu Mittag
     zu essen. Trotzdem schien er mir höchst vergnügt, ebensosehr vor Erleichterung, daß er die peinliche Prüfung hinter sich hatte,
     wie auch aus dem Gefühl, daß er einen großen Sieg über sich selbst davongetragen und seine kleine Rede gesprochen hatte, ohne
     zu stottern.
    »Mein teurer Neffe«, sagte La Surie, als ich später im Champ Fleuri darüber berichtete, »wenn Ludwig in der von Euch beschriebenen
     Geistesverfassung ist, warum hat er sich dann nicht gleich entschieden, die Pflichten seines Amtes offiziell auf sich zu nehmen?«
    »Ehrlich gestanden, das habe ich mich nicht gefragt.«
    »Und zu Recht!« sagte mein Vater achselzuckend. »Es wäre von seiten des Königs die pure Torheit gewesen. Vergißt du, Miroul,
     daß er kaum dreizehn ist, daß sein Wachstum nicht abgeschlossen ist, daß ihm der Bart gerade erst zu sprießen anfängt und
     daß seine Erziehung äußerst vernachlässigt worden ist?«
    »Aber er hat das Volk für sich«, sagte La Surie.
    »Das Volk, das Volk!« sagte mein Vater. »Das Volk kann nicht mehr als Beifall spenden, wenn es einen liebt, und murren, wenn
     es ihn nicht liebt. In Wirklichkeit hat die Königin den gesamten Staatsapparat in der Hand: das Parlament, das sie zur Regentin
     ernannt hat, die Minister, die seit fünf Jahren mit ihr paktieren, den Rechnungshof, die Provinzparlamente und dank Épernon
     auch die französische Infanterie.«
    »Aber den Hochadel hat sie nicht«, sagte La Surie.
    »Chevalier!« schrie ich auf. »Könntet Ihr auch nur einen Augenblick denken, Ludwig würde sich mit den Großen gegen die Regentin
     verbünden? Das hieße ja, sich zwischen Szylla und Charybdis stürzen! Er wäre ihre Geisel! Und anstatt eines Vormunds hätte
     er zehn!«
    |292| »Dann verratet mir«, sagte La Surie, »wie er sonst jemals dieser …«
    »Miroul!« sagte mein Vater.
    »Die sich mit Klauen und Zähnen an die Macht klammert.«
    »Herr Chevalier«, sagte mein Vater würdevoll, »das Abendessen ist aufgetragen. Gehen wir zu Tisch. Dieses Gespräch weiterzuführen
     wäre

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