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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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zurückgewinnen werde.
    Die Königin stellte zwei Armeen auf, eine zur Wacht gegen die Prinzen, die andere, um den König und Madame nach der Guyenne
     zu begleiten. Diesmal also bewies sie Festigkeit und handelte; nur konnte diese Festigkeit nicht von Dauer sein, weil keine
     übergeordnete politische Idee zum Wohl des Reiches dahinter stand, sondern eine private Leidenschaft. Als Tochter einer österreichischen
     Großherzogin und als Großnichte Karls V. erschien ihr nichts auf der Welt größer, schöner und edler, als Sohn und Tochter
     mit dem Blut zu verbinden, das auch das ihre war. Politische Hintergedanken hegten bei diesen Hochzeiten Pater Cotton, der
     apostolische Nuntius und der spanische Gesandte, die Königin aber in ganz geringem Maße: es war ihr eine gewisse Genugtuung,
     mit der Beförderung ihrer geliebten Heiratspläne auch den französichen Bischöfen und dem Papst Freude zu machen.
    ***
     
    Als die Abreise nach der Guyenne zum Austausch der Prinzessinnen beschlossene Sache und auf den siebzehnten August festgesetzt
     war, hätte ich es gerne gesehen, wenn der Marquis de Siorac uns auch diesmal begleitet hätte, aber das ging nicht, seine Gemahlin
     Angelina krankte an einem schleichenden Fieber, und so wollte er bei ihr in Montfort-l’Amaury sein, um |327| sie zu kurieren und durch seine Gegenwart zu unterstützen. Jedoch stellte er es dem Chevalier de la Surie frei, sich mir anzuschließen,
     wenn es ihm beliebe, indem er ihn versicherte, daß er, ohnehin an Ort und Stelle, über sein Landgut ebenso wachen werde wie
     über das eigene. Bei diesem Versprechen hüpfte dem Chevalier das Herz vor Freude, so närrisch war er darauf, durch Frankreich
     zu reisen, womit er mir die Wohltat seiner vergnüglichen und witzigen Gegenwart erwies.
    Da der Aufbruch nach der Guyenne zunächst für den ersten August vorgesehen war, hatte ich meine Vorbereitungen längst getroffen,
     als ich Frau von Lichtenberg auf ihre Bitte hin am fünfzehnten August um drei Uhr nachmittags in ihrem Haus besuchte.
    Ich fand sie beim Imbiß, doch aß sie nicht, ihre Hände ruhten still in ihrem Schoß, und ihr schönes Gesicht war von Schwermut
     überschattet.
    »Ach, mein Freund«, sagte sie nach langem Schweigen, »vergeben Sie mir, was ich Ihnen jetzt gestehe, aber manchmal wünschte
     ich, ich wäre Ihnen nie begegnet, denn nicht nur muß ich Sie wiederum für wer weiß wie viele Wochen oder Monate entbehren,
     sondern sehe leider auch dem Tag entgegen, an dem ich Sie ganz verliere, denn in Ihrem Amt kommen Sie nicht umhin, einmal
     zu heiraten.«
    »Meine Liebste«, sagte ich und warf mich ihr zu Füßen und nahm und küßte ihre Hände, »ich denke nicht im entferntesten an
     Heirat! Jeder Tag, den ich mit Ihnen verbringe, ist mir neue Seligkeit, ich wäre ein Tor, ihr aus eigenem Antrieb ein Ende
     zu setzen.«
    »Ach, Pierre!« sagte sie seufzend, »gerade was das Glück angeht, unterscheiden wir uns am meisten, weil meines zugleich so
     tief und so gefährlich ist. Bevor ich Sie kannte, war meine Witwenschaft gewiß eine Art Leere, aber wenigstens hatte diese
     Leere für mich den Vorteil, daß ich Verfall und Tod nicht fürchtete, weil das Leben mir nichts mehr bieten konnte. Nun aber,
     da ich Sie habe, bin ich, sowie Sie mich verlassen, nur mit der Furcht beschäftigt, Sie zu verlieren. Und jeder neue Tag,
     auch wenn er mir die Freuden schenkt, mit denen Sie mich verwöhnen, erscheint mir gleichzeitig wie ein weiterer Schritt auf
     dem Weg zum Alter. Glauben Sie mir, mein Freund, es ist nicht einfach, eine Frau zu sein.«
    |328| Betroffen lauschte ich ihren Worten, denn für gewöhnlich scheute sich Frau von Lichtenberg, zu klagen; sie hielt es für unnütz
     und unwürdig und mochte ihre Freunde nicht durch ihre Traurigkeiten betrüben. Ich wußte nicht, was ich ihr antworten sollte,
     nicht etwa, weil ich den Unterschied zwischen ihrem Los und meinem nicht begriff, sondern weil ich keine Worte fand, die sie
     über das Ungemach – oder sollte ich sagen, die Abhängigkeit? – trösten konnten, der ihr Geschlecht sie unterwarf. Ich blieb
     also zu ihren Füßen sitzen, wortlos, ihre heißen Hände in den meinen, aber die Augen an ihren Augen hängend, und das ist nicht
     dahingesagt – denn außer daß ihre Augäpfel wunderschön waren, zeichneten sich darin Sekunde um Sekunde so lebhafte, so reiche
     Empfindungen, daß ein liebendes Herz für die Botschaften, die sie ihm sandten, nicht unempfänglich sein

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