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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Zunge die restliche Konfitüre von den Fingern zu schlecken. Hierauf sprang
     diese auf die Knie ihrer Herrin und setzte sich in ihren Schoß. Sie hatte weißes, fein gekräuseltes Fell und kleine schwarze
     Augen, die gewiß lebendiger glänzten als die der Herrin und nervös und in höchster Wachsamkeit auf die Neuankömmlinge blickten.
    Die Königin legte ihre ringschwere Hand auf Bichettes Kopf, kraulte sie hinter den Ohren und sagte ihr mit leiser Stimme,
     sie möge ruhig sein, es seien nur Freunde gekommen. Diese Sanftheit erstaunte mich, so sehr stand die Königin in dem Ruf,
     den sie umgebenden Zweifüßern kalt und abweisend zu begegnen.
    In der ganzen Zeit hatte sie den König nicht einmal angesehen, der seinerseits die Augen auf Bichette richtete und sie ebensowenig
     ansah.
    Auf einmal riß sich Vaillant, den bis dahin niemand bemerkt hatte, weil er mit dem Zwerg als letzter hereingekommen und auch
     so klein war, von seiner Leine los, schlängelte sich nach vorne durch, wo er sich vor die Königin stellte und ein kurzes,
     heiseres Bellen ausstieß, dann setzte er sich auf sein Hinterteil und blickte aufmerksam zu Bichette hoch, als erwarte er
     eine Antwort.
    »Das ist aber ein hübscher kleiner Hund«, sagte die Königin mit gerührter Miene. »Was meint Ihr, Catherine?« wandte sie sich
     an die Herzogin von Guise.
    »Ja, wirklich, Eure Majestät«, sagte meine liebe Patin, »er ist sehr hübsch.«
    »Vielleicht könnten wir ihn mit Bichette verheiraten«, sagte die Königin tiefernst.
    »Das wäre eine glückliche Idee«, sagte Madame de Guise, die aber wohl aus meinen Augen las, daß Ludwig kaum einverstanden
     wäre, seinen Lieblingshund an seine Mutter abzutreten. Und so setzte sie sofort hinzu: »Wenigstens in Anbetracht der Größe,
     denn von der Rasse her müßte man sehen.«
    »Sehen wir denn«, sagte die Königin.
    Und von Vaillant hob sie die fahlen, ausdruckslosen Augen zu ihrem Sohn.
    »Wie geht es Euch, mein Herr Sohn?« fragte sie mürrisch.
    »Gut, Madame, danke.«
    |168| »Héroard«, fragte die Königin mit tonloser, gelangweilter Stimme, »wie geht es dem König?«
    »Gut, Eure Majestät«, sagte Héroard mit tiefer Verbeugung.
    »Und wie gehen Eure Studien, mein Herr Sohn?«
    »Ziemlich gut, Madame«, sagte Ludwig.
    »Lefèvre?«
    »Ziemlich gut, Madame«, sagte Lefèvre mit tiefer Verbeugung.
    »Man muß lernen, lernen, Monsieur«, sagte die Königin, die es selbst nie fertiggebracht hatte, ein Buch zu Ende zu lesen.
    »Ja, Madame«, sagte Ludwig.
    Die Königin schwieg eine Zeitlang, als entsänne sie sich nicht mehr, weshalb sie ihren Sohn hatte kommen lassen. Sie runzelte
     ihre weißblonden, nahezu unsichtbaren Brauen und schien angestrengt in ihrem Gedächtnis zu forschen. Die Anstrengung mußte
     sie etwas kosten, denn der verdrossene Ausdruck auf ihrem Gesicht verstärkte sich.
    »Mein Herr Sohn«, sagte sie, als hätte sie in ihrem wirren Kopf endlich den Grund dieser Unterredung gefunden, »mein Herr
     Sohn, es geht einfach darum: ich will Euch verheiraten.«
    Nach unserem Zwiegespräch mußte Ludwig gegen den Schlag gewappnet sein, denn sein Gesicht blieb gleichmütig.
    »Ja, Madame«, sagte er in respektvollem Ton.
    »So«, fuhr die Königin fort, »und wen wollt Ihr lieber heiraten: England oder Spanien?«
    Unter den hohen Damen, die immerhin alle eine große Erfahrung in höfischen Zwistigkeiten hatten, entstand etwas wie unfreiwillige
     Überraschung angesichts der unappetitlichen Heuchelei dieser Frage, die Ludwig eine Wahl bot, obwohl die Sache längst entschieden
     war. Und mehr als eine mußte, wie ich, darin eine Falle erblicken, die Ludwig das Geständnis einer Vorliebe entlocken sollte,
     die gar nicht anders als politisch sein konnte, denn noch nie hatte er ja eine englische Prinzessin oder eine spanische Infantin
     gesehen. Als ich später noch einmal darüber nachdachte, schloß ich, daß die Königin nicht schlau genug war, sich eine solche
     Finesse selbst auszudenken, sie mußte ihr von den Concinis eingeflüstert worden sein.
    Wie dem auch sei, nachdem die verfängliche Frage gestellt war, hefteten sich aller Augen auf den König in der Erwartung |169| seiner Antwort. Die Erwartung wurde enttäuscht. Ludwig sagte kein Wort, keine Silbe. Er lächelte nur.
    Sekunden darauf aber wandte er sich an Monsieur d’Angès und rief ihm zu: »Spanien! Spanien!«, so als habe er sich besonnen,
     seine Mutter zufriedenzustellen, doch ohne daß er es ihr selbst

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