Königskind
und verneigte sich mit unvermuteter Geschmeidigkeit, »Ihre Majestät die Königin erwartet Euren Besuch.«
»Gut, ich komme«, sagte Ludwig, indem er den Lappen auf den Ständer mit den Hakenbüchsen legte. »Monsieur de Siorac, kommt
Ihr mit?«
»Monsieur de Siorac hat keine Wahl«, sagte der Großkämmerer majestätisch, »da er derzeit der einzige anwesende Erste Kammerherr
ist, befiehlt ihm das Protokoll, Euch zu begleiten, Sire.«
»Seid versichert, Sire«, sagte ich als gehorsamer Höfling, »daß mir nichts lieber ist.«
Der König begab sich in der Tat nicht wie selbstverständlich zu seiner Mutter der Königin. Dazu bedurfte es des Protokolls.
Vorweg schritt der Großkämmerer, der Seiner Majestät sozusagen die Bahn der Ehrfurcht freimachte, indem er sich in seinen
mächtigen Hüften wiegte. Dann kam der König selbst, der in Monsieur d’Aiguillons Fahrwasser sehr klein und zerbrechlich aussah.
Hinter ihm schritten sein Erzieher, Monsieur de Souvré, und sein Zweiter Erzieher, Monsieur Despréaux. Hinter diesen ging
einer der vier Ersten Kammerherren, in diesem Fall ich. Hinter mir kamen der Leibarzt Héroard und der Hofmeister Lefèvre.
Hinter diesen wiederum Monsieur de Berlinghen und ein Page. Und zum Schluß und ganz ausnahmsweise – der Großkämmerer hatte
nicht bemerkt, daß er uns nachgelaufen war – der Zwerg des Königs, der mit größter Mühe Ludwigs kleinen Hund Vaillant zurückhielt,
der ohne jedes Gefühl für Wohlverhalten wie wild an der Leine zerrte, weil er zu seinem Herrn wollte.
Die Königin saß in ihrem Kabinett beim Imbiß (der wie bei meiner Gräfin aus Konfitüre, Waffeln und Wein bestand), im Kreise
ihrer vertrauten Freundinnen: meiner lieben Patin, der Herzogin von Guise, ihrer Tochter, der Prinzessin Conti, ihrer Schwiegertochter,
der ›regierenden‹ Herzogin von Guise, der Comtesse d’Auvergne und der Marquise de Guercheville, jener reifen Schönheit, der
ich La Barge verdankte. Sie alle wohnten dem Imbiß der Regentin bei, ohne dran teilzuhaben, doch durften sie wenigstens auf
Schemeln sitzen.
|166| Die hübschen Ehrenjungfern indessen, ohne die jene hohen Damen sich niemals von der Stelle bewegt hätten, mußten in strenger
Reihenfolge der Wand entlang warten. Sah man sie im Vorbeigehen an, was ich zu tun nicht verfehlte, trugen sie alle eine schmachtende,
melancholische Miene zur Schau, die ihnen etwas Romantisches gab, das aber vermutlich eher daher kam, daß sie in ihrer anbefohlenen
Reglosigkeit sich die Beine in den Bauch standen.
Wie dem auch sei und ob sie standen oder saßen, Damen und Demoiselles füllten den Raum mit einer solchen Menge sperriger Reifröcke,
daß der männliche Schwarm, mit dem der König sich seiner Mutter der Königin nahte, größte Mühe hatte, sich einen Weg durch
diese vielfarbigen Blütenkelche zu bahnen. Um so mehr, als die Regentin und ihre Damen sich bei Ansicht des Königs einmütig
erhoben, um in tiefen Reverenzen vor ihm zu versinken, die auch den geringen Raum noch beanspruchten, der uns übrigblieb.
Das Schlimmste wurde dennoch verhütet, als Madame de Guercheville, deren langjährige Erfahrung am Hofe nie versagte, den Ehrenjungfern
ein Zeichen machte, längs der Tapisserien zu verharren und Seine Majestät nur durch Neigen des Kopfes zu begrüßen.
Die Königin setzte sich mit jener mürrischen, hochnäsigen Miene, die sie für Größe hielt, und speiste weiter, als hätte sie
vergessen, daß ihr Sohn und Souverän vor ihr stand. Sie war prächtig anzusehen in Satin und Perlen und einem großen, diamantenbesetzten
Kragen aus Venezianer Spitze, den sie im Nacken aufgestellt trug und der ihr ein wirklich königliches Ansehen verliehen hätte,
wenn nur eine Spur von Menschlichkeit aus ihren Augen gestrahlt und ihrer vorstehenden Habsburger Schmollippe ein liebenswürdiges
Lächeln entlockt hätte.
Während sie in ihrem gewohnten Dünkel fortfuhr zu speisen, versuchte ich, in die Nähe des Königs zu gelangen, indem ich dank
der gefälligen Ehrenjungfern, die meinen bittenden Blicken folgten und ihre Reifröcke zusammendrückten, mich an der Wand Stück
für Stück vorwärts bewegte. So gewann ich schließlich einen Platz, von dem ich sowohl die Mutter wie den Sohn beobachten konnte,
die einander mit sehr unterschiedlichen Gefühlen begegneten.
Nachdem sie endlich gesättigt war, überließ es die Königin |167| ihrer Hündin Bichette, ihr mit ihrer kleinen rosa
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