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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sagen wollte.
    Sein Schweigen, sein Lächeln und plötzlich dieser übertriebene Ausruf, der jemanden zum Zeugen nahm, der ihm sichtlich fremd
     war, all das rief bei den Anwesenden ein gewisses Unbehagen hervor, am meisten aber bei der Königin, die ein Gesicht machte,
     als ob sie hinter diesem Betragen etwas wie heimlichen Spott wittere. Sie zog ein noch saureres Gesicht, runzelte die Brauen
     und schob ihre Unterlippe vor zu einer sehr überheblichen Miene.
    »Mit einem Wort, mein Sohn«, sagte sie von oben herab, »ich will Euch verheiraten. Wollt Ihr das?«
    »Ich will es gerne, Madame«, sagte Ludwig ebenso mechanisch, als sagte er eine Lektion auf.
    Diese vorgetäuschte Unterwerfung brachte die Königin in Wallung. Sie holte tief Luft und sprach in einem vernichtenden Ton:
     »Aber Ihr könnt noch keine Kinder machen!«
    »Ich weiß, Madame«, sagte Ludwig. »Ich bitte um Vergebung.«
    »Und woher wißt Ihr das?« fragte die Königin, als wäre es ein Verbrechen, dies zu wissen, obwohl sie es ihm eben gesagt hatte.
    »Ich weiß es von Monsieur de Souvré.«
    Hieran gab es nichts auszusetzen, und die Königin blieb stumm, sie ließ ein Schweigen eintreten, das für sie ebenso peinlich
     war wie für die Anwesenden ihr Versuch, den König öffentlich zu demütigen – ohne daß es ihr ganz geglückt war.
    Man glaubte schon, damit habe sie sich genug gegen ihren Sohn ausgelassen, als sie noch einmal das Wort ergriff und im kältesten
     Ton zu ihm sagte: »Ich will, daß Ihr morgen nach Saint-Germain-en-Laye fahrt und Monsieur besucht. Es geht ihm sehr schlecht.«
    Dieser Schlag traf Ludwig unvorbereitet. Er konnte seine Aufregung nicht verbergen, weil er für diesen kränklichen Bruder
     stets Zuneigung und Mitleid empfunden hatte.
    »Nicolas geht es schlecht?« rief er und wurde blaß.
    |170| »Deshalb sollt Ihr ihn morgen besuchen«, sagte die Königin und erhob sich zum Zeichen, daß der Besuch beendet sei.
    Nachgeahmt von ihren hohen Damen, machte die Königinmutter dem König von Frankreich eine tiefe Reverenz, die er mit einer
     tiefen Verneigung erwiderte, und, mit dem Großkämmerer vorneweg, ging er.
    Er war sehr blaß, und seine Unterlippe zitterte. Trotzdem gelang es ihm, nicht zu weinen, wenigstens nicht, solange er mit
     uns zusammen war.
    * * *
    Am nächsten Tag, dem dreizehnten November, konnte Ludwig nicht nach Saint-Germain-en-Laye fahren, um den armen Nicolas zu
     besuchen: Paris versank im Schnee. Fußhoch lag er schon in den Gassen, was nichts Gutes verhieß für den Weg nach Saint-Germain,
     der durch die Sümpfe und Wälder von Vésinet führte; zudem mußte die königliche Karosse auf die Fähre verladen werden, um die
     Seine zu überqueren: ein schon bei schönem Wetter heikles Unterfangen, das aber kaum zu bewerkstelligen war, wenn der Schnee
     an der Verladestelle taute und unter den Pferdehufen zu Matsch zerfloß.
    Ludwig, der auf der Jagd den Wetterunbilden gerne trotzte wie sein Vater, der Soldatenkönig, in seinen Kriegen, bat inständig,
     man möge die Karosse anspannen. Aber Monsieur de Souvré, der keinen Grund hatte, sich heldisch zu zeigen, verschob die Reise,
     die schon bei trockenem Wetter drei Stunden dauerte und auf verschneiten Straßen fast die doppelte Zeit, ganz abgesehen von
     den Gefahren, denen er seinen Zögling und sich selbst ausgesetzt hätte.
    Ich schwankte, ob ich im Louvre bleiben sollte, aber da Ludwig mir gesagt hatte, er werde mich in den kommenden drei, vier
     Tagen nicht bemerken, beschloß ich, mich bei dieser Kälte in den Kokon meiner Familie zurückzuziehen, und befahl La Barge,
     unsere Pferde zu satteln. Robin war nicht einmal böse, die Wohnung im Louvre allein zu hüten.
    Mein Koch Robin war ein unerschrockener Bursche aus den Bergen der Auvergne, nicht groß, aber stark, schwarze Augen, dunkle
     Haare, straffe Waden. Vor meinem Aufbruch rüstete ich ihn wie stets mit einem Degen und einer geladenen Pistole, und warum
     ich dies tat, will ich sagen: So beschämend und kaum |171| glaublich es auch ist, sogar in den Louvre stahlen sich Diebe und Einbrecher, wie es sich zwei Jahre später (im Februar 1613)
     besonders krass zeigte, als ein paar Strolche, die nie gefaßt wurden, in die Gemächer der Regentin eindrangen und ein groß
     Teil ihrer Prachtgewänder raubten.
    Da ich wußte, daß Robin ebenso versessen auf weibliche Huld wie wortkarg war, empfahl ich ihm jedesmal, bevor ich fortging,
     sich getrost mein kleines Kabinett zunutze zu

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