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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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machen. Man mag einwenden, daß ich Robin an meine häuslichen Laren auf Kosten
     der dazu gehörigen Tugend band, aber weil diese bei den Kammerzofen im Louvre nicht minder schwankend war wie bei ihren Herrinnen,
     hatte ich deshalb kein allzu schlechtes Gewissen. Zumal Robin mit seiner Schönen liebreich Speis und Trank zu teilen pflegte.
     Denn da im Louvre, außer für die Regentin, den König und die Großen, die Hauptschwierigkeit in der Ernährung bestand, stellte
     ich mir vor, daß die Aussicht auf eine gute Mahlzeit und eine Karaffe Cahors-Wein die Reize meines guten Robin für die arme
     Kleine sehr erhöht haben dürfte.
    Zuerst ist es ein Vorteil, dann aber sehr nachteilig, wenn in Paris Schnee fällt. Er bedeckt die ekelhafte Schlammkruste auf
     dem Boden mit einem so dichten, jungfräulichen Daunenpfühl, daß ihr Anblick und Faulgestank zugleich verschwinden. Aber, ach,
     wenn er taut, verfließt er mit dieser Kruste zu einer widerwärtigen schwarzen Brühe, die unerträglich stinkt und deren Zusammensetzung
     so verhängsnisvoll für die Pferde ist, daß dann, was Wunder, kaum mehr Karren durch die Stadt rollen und damit die Zufuhr
     von Holz und Lebensmitteln fast zum Erliegen kommt.
    In unserem Hause jedoch, wo die hugenottische Voraussicht meines Vaters regierte, fehlte es nie an Brot im Kasten noch an
     Holz im Speicher. Und im Kamin der Bibliothek brannte ein hohes, helles Feuer, dem ich dankbar meine Stiefel entgegenstreckte,
     bald den einen, bald den anderen.
    Fröhlich traten mein Vater und La Surie herein, als ich schon ziemlich aufgetaut war, und umarmten mich, so freuten sie sich,
     mich zu sehen, und ich ebenso, obwohl nie eine Woche verging, ohne daß ich sie besucht hätte. Mariette kam und kündigte das
     Essen an, welches mein Vater sie auch sogleich auftragen hieß, um das schöne, knisternde Feuer zu nutzen. Natürlich fragte
     Mariette, was es Neues von ›unserem kleinen |172| König‹ gebe, und so malte ich ihr denn in Rosa, was ich sehr viel ernster dann meinem Vater und La Surie berichtete.
    Ich war mit dieser traurigen Geschichte zu Ende, als Franz einen mir wohlbekannten kleinen Boten hereinführte und mein Herz,
     da ich ihn erkannte, dermaßen zu klopfen anfing, daß ich kein Wort mehr hervorbrachte.
    »Auf, mein Sohn«, sagte mein Vater, »lest das Billett! Es erheischt eine Antwort, wenn ich nicht irre.«
    Gleichzeitig gab er dem Boten einen Sou, eine Schnitte Brot und Käse und hieß ihn, sich mit diesen Schätzen vor den Kamin
     zu setzen.
    Ich hingegen bevorzugte mit meinem Briefchen die Fensterseite und entfaltete es.
     
    Mein Freund,
    Durch die gute Behandlung Ihres Herrn Vaters, dem all mein Dank gilt, bin ich nahezu hergestellt. Das Fieber ist gesunken,
     ich bin aber noch schwach, und um keinen Rückfall zu riskieren, hüte ich das Bett, mit einem großen Feuer als einziger Gesellschaft.
     Wenn Sie also heute gegen zwei Uhr eine arme Kranke besuchen wollten, wüßte sie Ihnen größten Dank.
    Ihre ergebene Dienerin
    Ulrike.
     
    »Herr Vater«, sagte ich, »Frau von Lichtenberg dankt Euch für Eure gute Behandlung.«
    »Schön«, sagte mein Vater lächelnd, »also hat sie sich schneller gerappelt, als ich dachte. Besucht Ihr sie heute nachmittag?«
    »Sie lädt mich ein.«
    »Wollt Ihr nicht die Kutsche nehmen?« fragte er sogleich. »Es ist nicht so kalt wie zu Pferde, und ich gedenke mich heute
     nicht von hier weg zu rühren.«
    »Vielen Dank, Herr Vater, aber vielleicht will der Chevalier …?«
    »Nein, nein«, sagte La Surie, »mich zieht es auch nicht hinaus.«
    Der kleine Bote hatte sein Käsebrot samt Krumen und Rinde verzehrt. Mein Vater gab ihm noch einen Schluck warmen Wein zum
     Nachspülen, während ich meiner Gräfin das folgende Billett schrieb, das er mitnehmen sollte.
     
    |173| Madame,
    Ich bin von Sinnen bei der Vorstellung, Sie schneller wiederzusehen, als ich gehofft hatte. Bitte, benachrichtigen Sie Herrn
     von Beck, daß meine Kutsche um Schlag zwei Uhr vor Ihrem Tor halten wird. Ich bekenne, daß ich den kleinen Laufburschen mit
     brennender Eifersucht betrachte, weil er als Überbringer dieses Briefchens das unerhörte Glück erfährt, Sie vier lange Stunden
     vor mir zu sehen.
    Ihr ergebener Diener
    Pierre-Emmanuel de Siorac.
     
    Dicke Flocken fielen dicht bei dicht vom verhangenen Himmel, Straßen und Gassen lagen wie verzaubert, als unser guter Lachaise,
     die Nase tief im Mantelkragen, mich bedachtsam zur Rue des Bourbons

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