Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
»Einmal muß
     es auch Gleichheit geben! Setzen Sie sich ohne Umstände auf mein Bett.«
    Was ich tat, und aus einer dankbaren Regung, die ich nicht bezwingen konnte, ergriff ich einfach ihre Hand und bedeckte sie
     mit Küssen, und schon wollte die Begrenztheit dieser Lust sich erschöpfen, als sie mir ihre Finger entzog, sie um meinen Nacken
     schlang und mich mit solcher Kraft an sich zog, daß ich das Gleichgewicht verlor. Ich fiel also auf sie, ach, und was für
     ein wunderbarer Fall dies war! Und nun ging es mit verhängtem Zügel, soviel Terrain bot sich meinen Lippen jetzt, von ihren
     Lippen zu ihren reizenden Ohren, von ihren Ohren zu ihrem Hals.
    »Mein Freund«, sagte sie endlich halblaut und mit leise bebender Stimme, »Sie können nicht so bleiben. Sie ersticken ja in
     Ihrem Wams. Legen Sie doch vor dem Feuer ab. Und wenn Sie dort sind, geben Sie gleich noch ein Scheit ins Feuer.«
    Ich bewunderte, während ich mich erhob, welch ein Gefühl für Feinheiten und Schicklichkeiten Frau von Lichtenberg hatte. ›Ablegen‹
     hatte sie gesagt, nicht ›ausziehen‹. Sie hatte mir, um ›nicht zu ersticken‹, geraten, mein ›Wams‹ abzulegen, meinte doch zweifellos
     aber meine ganze Kleidung, einschließlich der Hosen. Und um diese Operation gut durchzuführen, hatte sie mich vors Feuer geschickt,
     das heißt an eine Stelle des Zimmers, wo ihre Blicke mich nicht in Verlegenheit bringen konnten, weil die Vorhänge auf jener
     Seite des Baldachins zugeblieben waren.
    |178| Die Entkleidungszeit kam mir lang vor, sosehr ich mich auch beeilte, doch als ich mich endlich in die Arme meiner Gräfin schmiegte,
     erinnere ich mich, wurde meine Geduld ein letztes Mal auf eine harte Probe gestellt, weil ich mit meinen fliegenden Fingern
     die sämtlichen Perlmutterknöpfe ihres Nachtgewands aufknöpfen mußte. Danach aber, den Göttern sei Dank, waren meine Lippen
     jeder ernsthaften Unterhaltung verloren. Mein Denken auch. Ich gelangte in eine Welt, die mir bis dahin unbekannt geblieben
     war, obwohl ich alle ihre körperlichen Riten kannte, eine Welt, wo das Gefühl die Lust in Glück verwandelt. Und dieses schien
     mir so über menschliche Maße zu gehen, daß ich, kaum daß ich es erreicht hatte, auch schon bangte, es zu verlieren.
    * * *
    Ich verließ das Hôtel der Rue des Bourbons bei Dunkelheit, ohne mir viel daraus zu machen, daß Lachaise und das Gespann fünf
     lange Stunden auf mich gewartet hatten, denn von Beck hatte sie aufs beste versorgt. Der Pfälzer Haushofmeister erklärte mir,
     als er mich hinausbegleitete, daß er Tiere mehr liebe als Menschen, und weil er gesehen habe, wie Lachaise nach der Ankunft
     um das Wohlergehen seiner Wallache so besorgt war, daß er sie nicht den Stallknechten überlassen wollte, habe er Achtung vor
     ihm gewonnen und ihn ebensogut bewirtet wie seine Pferde: für sie frisches Stroh und Futter, für ihn Kapaun und Rheinwein.
    Zurück im Champ Fleuri, schlief ich wie ein Stein und erwachte am nächsten Tag um Schlag elf, die Glieder wie gerädert und
     doch frisch, den Kopf nur voll mit meiner heißen Liebe und das Herz sehnsüchtig nach meiner schönen Gräfin. Überrascht bemerkte
     ich, als ich aufstand, daß meine Kammer nicht so eisig war wie am Vortag, und als ich einen Blick durchs Fenster warf, sah
     ich, daß über Nacht Tauwetter eingetreten und der Schnee geschmolzen war. Also, fiel mir ein, könnte Ludwig bald nach dem
     Mittagessen nach Saint-Germain-en-Laye fahren, und indem ich meine Mahlzeit mit ein paar Happen abtat, brach ich mit La Barge
     unverzüglich zum Louvre auf.
    Meine Nase hatte mich nicht getrogen. Kaum betrat ich die königlichen Gemächer, teilte mir Monsieur de Souvré mit, |179| Ludwig wolle mich mit Héroard und Vitry in seiner Karosse haben. Ich schickte La Barge, meinen Vater und Frau von Lichtenberg
     über meine Abreise zu benachrichtigen. Meine Sorge war nur, daß er nicht vor unserer Abfahrt zurück wäre. Doch er kam rechtzeitig,
     um noch in die Kutsche mit den Kammerfrauen der Königin zu springen, die er fast alle kannte und denen er allerhand vorzuschwatzen
     pflegte, wenn auch nicht mit dem ersehnten Erfolg, dazu war er zu jung und zu klein. Aber die Späße meines Pagen ergötzten
     sie, und sie steckten ihm mehr Bonbons und Marzipan zu, als er vertragen konnte.
    Unser Gefährt brauchte dreieinhalb Stunden, um die Strecke vom Louvre nach Saint-Germain-en-Laye zurückzulegen, was tüchtig
     war, obwohl wir eine der besten

Weitere Kostenlose Bücher