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Königskinder (German Edition)

Königskinder (German Edition)

Titel: Königskinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Fischer
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dem Wachtürme und Hütten gezimmert sind, leuchtet hell und riecht frisch. Hinter dem Zaun kürzlich gezogene Gräben. Die Wellblechdächer glänzen. Kein Baum. Kein Strauch. Kein Grashalm. Nur von den Bauarbeiten aufgewühlte Erde und Sand. Und eine Flutlichtanlage, Scheinwerfer an hohen Masten.
    «Oj wej!», seufzt einer der Orthodoxen. «Wie Sachsenhausen.»
    «Wie Schwerverbrecher werden sie uns hier halten», flüstert Erich. «Das darf doch nicht wahr sein.»
    «Wir werden noch Sehnsucht nach dem schummrigen Gewölbe der Dunera haben», sagt Otto und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
    Ebenerdige Hütten reihen sich nebeneinander. Hinter dem Stacheldraht Einöde mit vereinzelten trockenen Büschen.
    «Das ist das Ende», flüstert einer mit erstickter Stimme.
    Durch ein weit geöffnetes Tor zieht zum Klang eines Horns die matte Männerschlange in ein eingezäuntes Areal, das zwei in sich geschlossene Abteilungen des Lagers voneinander trennt. Compounds nennen die Australier die beiden etwa hundert Meter voneinander entfernten Lagerteile, in die die bei der Ausschiffung vorsortierten Männer dirigiert werden. Etwa tausend Mann nach links, tausend Mann nach rechts. Hinter ihnen schließen sich die Tore mit einem metallischen Klappern.
    Erich und Otto geraten in Compound 8. Es ist, so erfahren sie später, für Angehörige verschiedener Religionen und für Politische vorgesehen, während in Compound 7 ausschließlich Juden untergebracht sind. Ratlos warten die Männer auf Anweisungen. Aber niemand erteilt ihnen Befehle. Nach einer Weile begreifen die Schlaueren, dass es wie bei den Hängematten in der Dunera nun darum geht, sich einen möglichst günstigen Platz in einer der Hütten zu sichern. Erich zieht Otto mit sich, Arthur folgt. Ihre neue Schlafstatt wird Hütte 18 am linken Rand des Camps. Sechsunddreißig sind es insgesamt. Sie ruhen in einem Halbkreis angeordnet auf Holzpflöcken, die eine Zirkulation der Luft unter den Dielen ermöglichen, sind mit Wellblech überdacht, und eine kurze Holztreppe führt vom sandigen Boden hinauf zur Tür. Nach dem grellen Sonnenlicht draußen ist es drinnen erst einmal stockdunkel.
    Die zwei Reihen Stockbetten stehen eng beieinander und bieten Schlafplätze für achtundzwanzig Personen. Auf jedem Bett ein dünner Strohsack und zwei grobe Decken. Kissen und Leintücher gibt es nicht.
    Einige der Männer in Hütte 18 kennen sich schon vom Schiff, sie heißen Morduch Brainin, Isak Morgenstern, Wolfgang Steinmetz, Bernhard Goldmann, Heinz und Herbert Baswitz, Richard Kallmann, Rolf Stein, Alfred Landauer, Hans Brühl, Georg Fröhlich. Mehr Namen kann sich Erich vorerst nicht merken. Landauer ist Maler, einer, mit dem Otto über Kunst wird reden können.
    Die Zuteilung der Betten verläuft zivilisiert, manche wollen ohnehin lieber oben schlafen, andere lieber unten. Nach allem, was sie erlebt haben, ist das eine Nebensächlichkeit. Einzurichten gibt es kaum etwas, denn jeder hat nur das, was er am Leib trägt.
    «Ich empfinde ein berauschendes Gefühl von Freiheit», sagt Erich und breitet die Arme weit aus. «Ist es nicht großartig, nichts zu besitzen? Wir sollten uns dieses Gefühl gut merken. Es wird nie mehr wiederkommen.»
    «Mir fehlen Bücher», sagt Brühl, und da nickt auch Erich.
    «Mir fehlen Papier und Bleistifte», sagt Otto, und Landauer nickt.
    «Mir fehlt meine Geige», sagt Kallmann. «Ich habe seit zwei Monaten nicht geübt.»
    «Schon gut», lacht Erich. «Ihr seid nicht geschaffen für die Freiheit.»

    «Hast du das mitgekriegt?», fragt Erich, während er mit Otto ihr künftiges Universum erkundet. Sie lassen es sich nicht nehmen, den Kopf in diese oder jene Hütte zu stecken, um nach Bekannten Ausschau zu halten. «Die Kommunisten bleiben nicht unter sich wie die Warmen in Hütte 24 oder die frommen Juden. Sie verteilen sich auf alle Hütten, um dort – sozusagen vom Bett aus – ihre Leute zu rekrutieren. Besonders auf die Jungen haben sie es abgesehen, das hab ich schon auf dem Schiff beobachtet. Die sind formbar und begeisterungsfähig. Die werden dann eingesponnen, wirst schon sehen. Besteht erst einmal ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, haben sie die fest in der Hand.»
    «Du weißt ja, dass diese straffen Organisationsstrukturen nie etwas für mich waren. Ich kann Künstler nicht verstehen, die sich dem freiwillig unterwerfen. Ich hab das immer Else überlassen. Aber du? Du warst doch selbst in der KP!»
    «Zuerst einmal war ich bei den

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