Königsklingen (First Law - Band 3)
Arm über ihn hinwegfuhr. Er krachte in die Schildmauer, wo Logen noch kurz zuvor gestanden hatte, zersplitterte einen der Schilde und warf den Mann, der ihn festgehalten hatte, aufheulend um.
Offenbar hatte der Geist recht gehabt. Der bemalten Seite war nichts anzuhaben. Logen duckte sich, wartete gerade so lange, bis der lähmende Schmerz in seinem Bauch so weit nachgelassen hatte, dass er wieder atmen konnte, und versuchte sich einen Trick zu überlegen. Aber ihm fiel nichts ein. Der Gefürchtete wandte Logen nun sein zuckendes Gesicht zu. Hinter ihm lag der Mann am Boden, den er soeben gefällt hatte, und wimmerte unter den Trümmern seines Schilds. Die Carls zu beiden Seiten zögerten ein wenig, bevor sie aufeinander zugingen, um die Lücke zu schließen.
Der Riese machte einen langsamen Schritt nach vorn, und Logen trat unter Schmerzen einen Schritt zurück.
»Noch am Leben«, flüsterte er leise vor sich hin. Aber wie lange noch, das war schwer zu sagen.
West hatte sich sein ganzes Leben lang noch nie so verängstigt, aufgeregt und gleichzeitig so lebendig gefühlt.
Nicht einmal, als er das Turnier gewonnen und der ganze große Marschallsplatz ihm applaudiert hatte. Nicht einmal, als er die Mauern von Ulrioch gestürmt und durch Staub und Durcheinander bis ins warme Sonnenlicht durchgebrochen war.
Seine Haut prickelte vor Hoffnung und Entsetzen. Seine Hände zuckten hilflos bei jeder Bewegung, die Neunfinger machte. Seine Lippen murmelten sinnlose Ratschläge und stumme Ermunterung. Neben ihm standen aneinandergedrängt und ebenfalls bebend Pike und Jalenhorm, die sich zudem heiser schrien. Hinter ihnen brüllte die Menge, die sich mit gereckten Hälsen und viel Gedränge bemühte, die Kämpfenden zu sehen. Die Leute von Carleon lehnten sich über die Mauern, schrien und stießen die Fäuste in die Luft. Der Schildwall gab den Bewegungen in seinem Innern nach und stand nie still, wich zurück oder trat vor, während die Kämpen vorpreschten oder zurückfielen.
Und beinahe die ganze Zeit über war es Neunfinger, der zurückfiel. Er war nach allgemeinem Maßstab ein großer, ungeschlachter Kerl, aber in dieser entsetzlichen Gesellschaft wirkte er winzig, schwach und zerbrechlich. Und noch schlimmer war, dass offenbar etwas sehr Seltsames hier vor sich ging. Etwas, das West nur als Zauberei bezeichnen konnte. Große Wunden, tödliche Wunden schlossen sich vor seinen Augen in der blauen Haut des Gefürchteten. Dieses Geschöpf war kein Mensch. Es konnte nur ein Teufel sein, und sobald es ihn selbst überschattete, spürte West eine Furcht, als stünde er direkt am Abgrund der Hölle.
Er zog eine verzweifelte Grimasse, als Neunfinger hilflos gegen die Schildmauer am anderen Ende des Kreises prallte. Der Gefürchtete hob seine bewehrte Faust zu einem Schlag, der mit Sicherheit ausreichte, um einen Schädel in Stücke zu schlagen. Aber er traf nichts als Luft. Neunfinger war im letzten Augenblick davongehuscht und ließ das Eisen um Haaresbreite an seinem Kinn vorbeidonnern. Sein schweres Schwert fuhr herab und prallte mit lautem Klingen von der gepanzerten Schulter des Gefürchteten ab. Der Riese stolperte zurück, und Neunfinger setzte nach, die bleichen Narben auf seinem starren Gesicht angespannt.
»Ja!«, zischte West, und die Männer um ihn herum bekundeten lauthals ihre Unterstützung.
Der nächste Hieb prallte kreischend gegen die gepanzerte Seite des Riesen, hinterließ einen langen, hellen Kratzer und wühlte einen Placken Erde auf. Der letzte Stoß hackte tief in die bemalten Rippen und ließ einen Nebel Blut hervorsprühen, während der Gefürchtete aus dem Gleichgewicht geriet. West klappte der Mund auf, als der große Schatten über ihn fiel. Der Gefürchtete prallte gegen seinen Schild wie ein gefällter Baum und zwang ihn bebend in die Knie, und er schwankte unter dem enormen Gewicht, während sein Magen vor Entsetzen und Ekel rebellierte.
Und dann sah er es. Eine der Schnallen der nietenbeschlagenen und dornenbewehrten Rüstung direkt über dem Knie des Riesen befand sich nur wenige Zoll von den Fingern von Wests freier Hand entfernt. Und in diesem Augenblick konnte er an nichts anderes denken als daran, dass Bethod entkommen würde, nach all den Toten, für die er verantwortlich war und die über ganz Angland verstreut lagen. Er biss die Zähne zusammen und packte das Ende des Lederriemens, der so dick war wie der Gürtel eines Mannes. Er zog daran, als der Gefürchtete seinen
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